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Fette Gewinne, aber den Lohn kürzen

■ Rund 1000 Banker traten gestern in den Warnstreik, um gegen die Kürzung der Lohnfortzahlung bei Krankheit zu protestieren

„Gemeinsam sind wir stark! Laßt uns also kämpfen!“ rief einer, und einige hundert BankerInnen quittierten die beschwörende Phrase mit frenetischem Applaus. Obwohl die Arbeitgeberseite mit Abmahnungen und Kündigungen gedroht hatte, ließen sich Hamburgs Bankangestellte nicht abschrecken. Rund tausend von ihnen, darunter allein 500 Beschäftigte der Deutschen Bank, fanden sich gestern in den Sälen der Patriotischen Gesellschaft ein, um gegen die Kürzung der Lohnfortzahlung im Bankgewerbe zu protestieren. In Kiel beteiligten sich etwa 2000 Beschäftigte an Warnstreiks.

Bundesweit hatten die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) und die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) zu dieser Art des Protests aufgerufen. Hintergrund ist die Kürzung der Lohnfortzahlung bei Krankheit auf 80 Prozent, die in nahezu allen Banken seit dem 1. Oktober praktiziert wird.

Möglich wurde dies durch den vagen Manteltarifvertrag der Banken, der in den ersten sechs Krankheitswochen keine explizite Regelung vorsieht, sondern nur auf das Gesetz verweist. Für die Zeit danach sind Bankangestellte paradoxerweise weit besser gestellt als die meisten Arbeitnehmer anderer Branchen. Ab der siebten Krankheitswoche, so die gesetzliche Neuregelung, erhalten Arbeitnehmer künftig nur noch 70 Prozent des früheren Lohns. Im Bankgewerbe ist tariflich jedoch festgeschrieben, daß die Arbeitgeber den „Unterschiedsbetrag zwischen ehemaligem Nettogehalt und Krankengeld“ zahlen müssen. In den ersten sechs Wochen müssen Bankangestellte also auf zwanzig Prozent verzichten, bleiben sie krank, erhalten sie anschließend wieder ein hundertprozentiges Gehalt.

Die Gewerkschaften fordern nun erneute Tarifverhandlungen zur Frage der Lohnfortzahlung. Vor allem im Bankgewerbe sei die Kürzung eine „Unverschämtheit“, meinte Jochen Berking von der HBV: „Keine andere Branche macht so fette Gewinne!“

Doch die Arbeitgeberseite stellt sich stur. „Wir wenden nur das Gesetz an“, erklärte der Sprecher des Arbeitgeberverbands des privaten Bankgewerbes, Heinz-Dieter Sauer, gestern. Zudem hätten Arbeitgeber und Gewerkschaften schon im Oktober über die Lohnfortzahlung gesprochen. Weitere Verhandlungen zu diesem Punkt erübrigten sich daher. Im Gegensatz zu den Gewerkschaften geht die Arbeitgeberseite zudem davon aus, daß die gestrigen Warnstreiks rechtswidrig waren. „Darauf haben wir unsere Institute hingewiesen“, sagte Sauer, „gegebenenfalls können sie auch Schadensersatzansprüche stellen.“

Die Gewerkschaften reagieren auf solche Drohungen gelassen. „Sollten sich in Ihren Betrieben irgendwelche Sauereien anbahnen“, so versprach Hinrich Feddersen von der HBV den Bankern gestern, „dann helfen wir den Führungskräften in Ihrer Filiale gern. Immerhin scheinen die die Grundrechte eines Arbeitnehmers nicht so recht zu verstehen.“ Karin Flothmann

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