Angriff aufs Pauken im 45-Minuten-Takt

■ Bildungsbehörde will neue Lehrer-Arbeitszeit durchsetzen / Widerstand in vielen Schulen

Bringfriede Kahrs plant die Revolution an Bremens Schulen. Es hätte umwälzende Auswirkungen für den Lehrbetrieb, wenn die Bildungssenatorin ihre Pläne zur neuen Lehrerarbeitszeit durchsetzen könnte. Ein Modellversuch soll im Februar an mehreren Schulen anlaufen, ab dem kommenden Schuljahr soll die neue Organisation flächendeckend eingeführt werden. Welche Schulen beim Versuch mitmachen, kann Kahrs aber noch nicht sagen.

Die willigen Lehrer-Kollegien zögerten, sich aus der Deckung zu wagen, weil unter den LehrerInnen die Pläne heiß umstritten sind. „In der Lehrerschaft ist die Akzeptanz für das Modell noch nicht da“, weiß die SPD-Senatorin. Eine kleine Umfrage der taz bei diversen Schulen belegt die ablehnende bis indifferente Haltung quer durch alle Schularten.

Im Kern geht es darum, die Lehrerarbeitszeit transparenter zu machen und gleichzeitig die „Qualität von Schule“ zu verbessern: Ein Lehrer-Job umfaßte dann nicht mehr die bis zu 26 Unterichtspflichtstunden a 45 Minuten plus frei verfügbarer Vor- und Nachbereitungszeit. Stattdessen sollen PädagogInnen übers Jahr wie alle anderen im öffentlichen Dienst 38,5 Wochenstunden arbeiten. Wegen der Ferien ergibt sich eine Arbeitszeit von 44,6 Stunden pro Unterrichtswoche. Projekte, Klassenfahrten, Elterngespräche, Schulkonferenzen und Weiterbildung würden Pflichtarbeitszeit. Bis zu 30 Zeitstunden sollen sie an der Schule anwesend sein.

Die Schulen bekommen eine bestimmte Stellen- und Stundenzahl zugewiesen. Im Gegenzug sollen sie eine Kernöffnungszeit garantieren und dafür sorgen, daß die einzelnen Fächer, wie von der Kultusministerkonferenz verlangt, vermittelt werden. Nie wieder sollen Kinder wegen Unterrichtsausfall frühzeitig nach Hause geschickt werden, sondern von KollegInnen betreut werden.

Von diesen Vorgaben abgesehen, sollen die Schulen ihr Personal frei einteilen und entscheiden, ob sie künftig beim 45-Minuten-Tackt bleiben, oder ob es sinnvoller ist, eine Klasse einen ganzen Tag lang in Mathematik zu unterrichten. „Die Lehrer können gegen das Arbeitsmodell vorgehen, an dem sie selber leiden und stärker im Team arbeiten“, wirbt Kahrs.

Die Alternative ist klar: Wenn nicht durch die neue Organisation die Effizienz der Schulen verbessert wird, droht ab dem nächsten Schuljahr die Verpflichtung zu einer Unterrichtsstunde mehr, wie sie die CDU verlangt. Kahrs weiß, daß viele die Mehrarbeit bevorzugen: „Die denken, sie könnten die Erhöhung auf einer Backe abfeiern“. Sie dagegen wolle neue pädagogische Impulse anregen.

Mit im Reformpaket der Bildungsbehörde ist der Vorschlag für kostenneutrale Neueinstellungen: In vielen Kollegien gibt es Bereitschaft, ein paar Unterrichtsstunden abzugeben und dafür auf Geld zu verzichten, wenn im Gegenzug – und zunächst befristet – die sympathische Referandarin an derselben Schule eingestellt wird. Für dieses Verfahren hofft Kahrs auf Zustimmung im Senat und in der Senatskommission für das Personalwesen. Zusätzlich müßten im Lande Bremen 1998 wieder 90 neue LehrerInnen eingestellt werden. „Sonst bricht Schule 2001 zusammen“. jof