■ Warum ziehen Sie vor Gericht?
: „Nicht immer selber zuschlagen“

Margot Schäfer, 68 Jahre, Rentnerin

Mein Mann ist im Mai mit einer anderen Frau abgehauen. Den Unterhalt verweigert er. Jetzt liegt der Fall beim Familiengericht. Das dauert lange, und die Schulden werden immer größer. Das Sozialamt setzt mich unter Druck. Aber wenn mein Unterhalt durch ist, kann ich meine Schulden bezahlen. Was ich mir dann auf mein Brot schmiere, geht keinen mehr was an.

Olaf Mannuß, 28 Jahre, Student

Wenn jemand 'ne Freundin tätlich angreift, sollte man vor Gericht gehen. Man kann doch nicht immer gleich mit eigener Faust zuschlagen, das geht nicht. Da muß man schon selber Beherrschung zeigen können. Auch bei Ärger mit Vermietern würde ich klagen. Die nehmen sich in letzter Zeit soviel raus. Da muß man wohl vor Gericht gehen, um was zu erreichen.

Heidemarie Ramadan, 56 Jahre, Siebdruckhelferin

Im Februar habe ich einen schweren Arbeitsunfall gehabt. Ohne meine Schuld habe ich eine Maschine aufs Kreuz gekriegt. Trotzdem will die Berufsgenossenschaft meinen Lohn nicht mehr zahlen. Jetzt war ich bei der Gewerkschaft, und wir wollen den Lohn einklagen. Ich stehe jetzt da, Weihnachten ohne Geld, keinen Urlaub, nichts. Was soll ich anderes tun, als vor Gericht zu gehen?

Klaus-Dieter Scharapenko, 52 Jahre, Arbeitsloser

Mir hat man für einen Monat den Führerschein entzogen und eine Strafe von 100 Mark aufgebrummt. Angeblich bin ich zu schnell gefahren. Dabei war die Meßstrecke viel zu kurz: 400 statt 500 Meter. Ich bin in die Berufung gegangen. Die hat das Kammergericht abgelehnt. Der Anwalt riet mir, zum Bundesgericht zu gehen. Das war mir zu teuer. Als einzelner hat man vor Gericht keine Chance.

Sabine Dittrich, 29 Jahre, Grafikerin

Wenn es um Versicherungsgeschichten geht, bleibt einem heute leider nicht viel anderes übrig, als vor Gericht zu gehen. Versicherungen haben so viel Macht, daß ganz normale Leute da immer den kürzeren ziehen. Ich hatte zum Beispiel einen Autounfall und war lange krank. Doch die Versicherung zahlte nichts, weil meine Verletzung in Deutschland nicht anerkannt wird.

Jan Locek, 40 Jahre, arbeitslos

Bevor ich vor Gericht ziehe, muß das schon was ganz Wildes sein. Ich habe zum Beispiel beim Sozialgericht gegen das Arbeitsamt geklagt. Die haben verlangt, daß ich die Fortbildung bezahle. Da bin ich zum Anwalt gegangen. Arbeitslose haben da die gleichen Rechte wie andere auch. Das wissen nur viele nicht. Man sollte viel häufiger vor Gericht für seine Rechte kämpfen.

Umfrage: Christoph Schäfer

Fotos: Wolfgang Borrs