Grüne: Grün-Rot statt Rot-Grün

■ Bis zum Frühjahr 1997 soll ein grünes Regierungsprogramm vorliegen. Ein Bündnis mit der PDS wird nicht mehr ausgeschlossen. Scharfe Kritik von SPD und CDU

Mit scharfer Kritik haben SPD und CDU gestern Überlegungen der Bündnisgrünen zurückgewiesen, nach den Abgeordnetenhauswahlen 1999 mit Hilfe der PDS einen Regierungswechsel herbeizuführen. Die SED-Nachfolgepartei PDS sei nach wie vor kein politisch glaubwürdiger Verhandlungspartner, hieß es.

Der bündnisgrüne Landesvorstand hatte am Donnerstag abend angekündigt, bis zum Frühjahr 1997 ein grünes Reformkonzept zu einer Reihe von Politikfeldern vorzulegen. Mit einem solchen Regierungsprogramm will die Oppositionspartei den Führungsanspruch in der Stadt für sich beanspruchen. Nach der nächsten Wahl gelte es, eine grün-rote statt einer rot-grünen Koalition zu bilden, erklärte Parteisprecher Christian Ströbele. Die Große Koalition biete ein desolates Bild und schade der Stadt, vor allem bei der Hochschulpolitik. „Die Universitäten zählen noch viel stärker als die Bewag zum Tafelsilber.“

Den Anspruch auf die Führungsrolle unterstrich Ströbele damit, daß die Grünen 1999 auch die Position des Regierenden Bürgermeisters besetzen wollen. Unter der Führung der SPD sei eine Reformkoalition nicht glaubwürdig.

Diese Vorstellungen des Parteivorstandes seien am Vorabend bei einer Sitzung des Landesausschusses, dem zweithöchsten Parteigremium, positiv aufgenommen worden, erklärte Vorstandsmitglied Angelika Albrecht. Auch in der Abgeordnetenhausfraktion habe es eine positive Resonanz gegeben. Beschlüsse seien aber nicht gefaßt worden.

Mit dem grünen Reformprogramm wollen die Grünen vor allem die Debatte mit der PDS intensivieren. Es gelte auszuloten, „für welche Politik die PDS steht und welche Reformprojekte mit ihr machbar sind“, so Ströbele.

Dies veranlaßte CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky gestern, „den letzten noch verbliebenen Bürgerrechtlern“ in den Reihen der Grünen einen „fairen Dialog“ anzubieten und sie zum Verlassen der Grünen aufzufordern. Jetzt seien auch die letzten Zweifel beseitigt, welche Zukunft der Hauptstadt bei einem solchen Bündnis bevorstehe, sagte er. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD, Petra Merkel, warf den Grünen vor, in ihrem Drang nach Macht frühere moralische Ansprüche über Bord zu werfen.

Am Vorabend hatte Vorstandsmitglied Susanne Jahn die Frage, ob die Grünen nicht mit einer Neuauflage der Rote-Socken-Kampagne rechnen müßten, noch kleingeredet. Sie betonte, Gemeinsamkeiten oder Widersprüche mit der PDS müßten über einen längeren Zeitraum und nicht erst ein paar Monate vor den Wahlen diskutiert werden.

Die Frage nach der Vergangenheitsbewältigung durch die PDS spielt bei diesen Überlegungen eine Rolle, steht aber offensichtlich nicht mehr im Mittelpunkt. Das geht aus Äußerungen der Ostberliner Vorstandsmitglieder Bernd Albani und Angelika Albrecht hervor. Albani sagte, man müsse von der ideologischen Betrachtung der Partei wegkommen. Ströbele stellte klar, daß ein Bündnis nicht in Frage komme, wenn dies die Bündnisgrünen oder die Stadt spalten werde. „Wenn es uns nicht gelingt, die Bürger zu überzeugen, ist ein Bündnis mit der PDS nicht machbar.“ Dorothee Winden