Diepgens Persilschein für Nawrocki

■ Neue Dokumente zeigen: Der Regierende hat Olympia-Bewerber Nawrocki vor Schadenersatzklagen geschützt. Obwohl Finanzprüfer davor warnten, empfahl Diepgen Entlastung der Olympia GmbH

Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) ist tiefer in das skandalöse Gebaren der Olympia GmbH verwickelt als bisher angenommen. Diepgen erteilte dem Geschäftsführer der Olympia-Bewerbungs-Gesellschaft, Axel Nawrocki, gezielt den Persilschein. Nawrocki war entgegen der üblichen Regelung für Geschäftsführer von GmbHs laut Anstellungsvertrag nur dann haftbar, wenn er „grob fahrlässig“ handelte. Dieser Passus macht nun eine Schadenersatzklage gegen Nawrocki so gut wie unmöglich.

Außerdem empfahl Diepgen als Vorsitzender des Aufsichtsrats der Olympia GmbH am 23. Dezember 1994 die Entlastung des Geschäftsführers – obwohl der Rechnungshof den Regierenden in einem als „verschlossen/vertraulich“ eingestuften Schreiben davor gewarnt hatte. Dies belegen Protokolle der Aufsichtsratssitzung und Nawrockis Arbeitsvertrag, die der taz vorliegen.

Die Finanzverwaltung wies demnach Diepgen bereits 1991 schriftlich darauf hin, daß die „vorgesehene Regelung [Haftung nur für grobe Fahrlässigkeit; die Red.] unüblich ist“. Doch der Regierende wischte die Bedenken beiseite. „Die im internationalen Sport üblichen Usancen“ machten das nötig, sagte Diepgen auf einer Gesellschafterversammlung der Olympia GmbH am 23. Dezember 1994. Zu deutsch: Wer für den Olympia-Zuschlag wirbt, muß freie Hand haben. Die nutzte der mit den Freiheiten eines James Bond ausgestattete Axel Nawrocki reichlich. Der Rechnungsprüfungsausschuß, der seine Arbeit gerade beendet hat, stellt fest: Von ausgegebenen 17 Millionen Mark konnte Nawrocki lediglich 3,8 Millionen Mark mit Rechnung belegen. 13 Millionen Mark ließ Nawrocki per mündlichen Auftrag verpulvern.

Schadenersatzansprüche gegen den Mann, der über 260.000 Mark pro Jahr einstrich, sind dennoch so gut wie nicht durchzusetzen – er hatte ja die Haftungsbeschränkung als Persilschein. „Der Vertrag für Nawrocki war bezüglich der Haftung optimal“, sagte die Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses, Elga Kampfhenkel. Da sei kein Herankommen.

In ihrer Beschlußempfehlung für den Hauptausschuß stellen die geheim tagenden parlamentarischen Finanzkontrolleure nun fest: „Die Olympia Berlin 2000 GmbH [hat] bei der Bewirtschaftung öffentlicher Mittel die Regeln des Zuwendungsrechts nicht ausreichend beachtet.“ Auch für den Senat fällt das Zeugnis in Sachen Olympia miserabel aus. Der Rechnungsprüfungsausschuß mißbilligt in seinem Schlußbericht, „daß der Senat Ausgaben in Millionenhöhe als [...] wirtschaftlich anerkannt hat, obwohl die in Rechnung gestellten Kosten im einzelnen nicht spezifiziert waren“. Insgesamt gaben Bund und Land 50 Millionen Mark aus. Der Senat habe zudem erhöhte Personal- und Honorarausgaben geduldet – in einem Fall ein Zusatzhonorar von einer halben Million Mark ohne vertragliche Grundlage. Auch den Hauptausschuß, so die Rechnungsprüfer, umging der Senat: Er genehmigte zusätzlich 1,4 Millionen Mark für 007 Nawrocki – ohne die Haushälter des Abgeordnetenhauses zu fragen. Christian Füller