Gedanken vs. Gedanken

■ Wie Henry Maske sich auf seinen heutigen, letzten Kampf vorbereitet hat

München (taz) – Es kam ein Moment, wenige Tage vor dem Umzug nach München, als Manfred Wolke seinen Boxer bremsen mußte. Henry Maske (32) war von seinem morgendlichen Lauf zurückgekehrt, hatte erneut Länge gesteigert und Zeit verbessert. Nun stand er da und keuchte: „Morgen mache ich das noch mal.“ Da schüttelte der Trainer den Kopf. „Bist du verrückt?“ fragte er. Und später: „Der merkt gar nicht, wie er in der Intensität steht.“ Die Wetten für den heutigen Kampf gegen den gleichaltrigen WBA-Weltmeister Virgil Hill stehen 13,5:10 für Maske.

Was man kann, ist stark annehmen, daß Maske davon ausgeht, ungeschlagen aufzuhören. Drum hat er in der „unmittelbaren Wettkampfvorbereitung“ (Wolke) nicht im Sparring und bei keinem Lauf lockergelassen. „Hier schenken und da schenken“, sagt er, „im Ring wird's deutlich.“ Der Gegner Virgil Hill hat in 43 Kämpfen nur einmal verloren — gegen Thomas Hearns. Experten glauben, Maske habe ein solches Kaliber in seinen 30 Profikämpfen noch nicht boxen müssen. Andererseits ist Hill so etwas wie ein regionales Unternehmen: Seine 22 Titelkämpfe hat er in seiner Heimatstadt Bismarck, North Dakota, oder in Städtchen wie Fargo bestritten. Manche allerdings auch in Europa. Zuletzt, gegen den Weltranglistenboxer Lou del Valle, sah er „ziemlich schlecht“ aus, hat sein Manager Bill Sorensen zugegeben. Aber weil Hill außerhalb Bismarcks mit Ausnahme des Hearns-Kampfes nie richtig wahrgenommen wurde, hat man sich von Promoter Cedric Kushner und vier Millionen Mark überreden lassen, nun mal was zu riskieren.

Rechtsausleger Maske hat im Sparring versucht, seine Stärken auf Hill „einzustellen“. Hills Stärke ist der linke Jab, mit dem er seine Kämpfe zu diktieren pflegt. Das weiß Maske. Das Periodikum Boxing Monthly rät Hill, gegen Maske gelegentlich auch die rechte Schlaghand zu bringen. Das ahnt Maske natürlich auch.

Fragen zum Kampfverlauf blockt er, wie immer, ab. „Sie können nicht kalkulieren“, sagt der Kalkulator, „sie können nicht sagen, in Runde 3 mach'ich dies, in Runde 5 das.“ Aber: Gedanken hat er sich doch gemacht? Sofort drückt er den Kopf des Fragenden herunter und schießt eine Rechte ab: „Habe ich den Eindruck erweckt, daß ich mir keine Gedanken mache?“ Dann setzt er nach: „Er macht sich ja auch Gedanken.“

Und Maske macht sich dann Gedanken über die Gedanken, die Hill sich macht? „Zum Beispiel.“ Wenn sich Köpfe und Mittel Paroli bieten sollten, das hat Wolke ihm mitgegeben, „macht sich der bedingungslose Einsatz bezahlt“.

Natürlich aber sähe Maske lieber „eine gewisse erarbeitete Vorstellung“ wirken. Aber es ist auch mehr als eine Finte, wenn er sagt: „Eins ist klar: Ich kann nicht zaubern, er kann nicht zaubern. Es werden keine Welten liegen zwischen dem, was wir bisher gezeigt haben, und dem, was wir zeigen werden.“ Woraus folgt: Was Maske zeigen kann, würde reichen — wenn er es zeigt.

Was man sicher weiß: Es wird eine wunderbare Quote geben für RTL, die Werbepausen kosten 230.000 Mark die halbe Minute, und wie die Stadt Bismarck einen Sieg Hills feiern würde, so würde ein ungeteiltes Land mehrheitlich den ruhmreichen Abgang des unschlagenen Boxers mit dem teilen.

Die Antwort auf die letzte aller Fragen aber, sagt Maske, „gibt es nur im Ring“. Wenn Heino ausgesungen hat, wird er sie bekommen. Peter Unfried