Kein Herz für Schwule

■ In München läßt es die Polizei bei Gewalt gegen Homos an Schutz fehlen

München (taz) – Die bayerische Landeshauptstadt gilt unter Schwulen nicht als „sicherste Großstadt Deutschlands“ – sondern als die gefährlichste. So wurden dem schwulen Anti-Gewalt- Projekt in München im vergangenen Jahr über hundert Fälle von Gewalt gegen Homosexuelle gemeldet. Nach Ansicht des Projektleiters Manfred Edinger signalisiere diese Zahl „nur die Spitze des Eisbergs“. Allein in den letzten Wochen seien im Szeneviertel am Gärtnerplatz 16 schwule Männer verletzt worden, davon drei so schwer, daß sie in eine Klinik eingeliefert werden mußten.

Trotzdem beklagen die Rosa Liste und das Anti-Gewalt-Projekt eine nur geringe Bereitschaft der Münchner Polizei, auf diese Aggressionen angemessen zu reagieren. Immer noch weigere sich die Polizeiführung, einen Schwulenbeauftragten zu ernennen. Beispiele aus anderen deutschen Metropolen beweisen, daß dann die Anzeigebereitschaft von Homosexuellen größer ist.

In Hamburg und Berlin schützt die Polizei längst nicht mehr Menschen, die Schwule überfallen – dort arbeiten Sonderpolizisten dafür, daß Homosexuelle sich sicherer fühlen können. In München hingegen würden schwule Treffpunkte von Zivilpolizisten „in bundesweit einmaliger Weise“ praktisch jede Nacht kontrolliert.

„Schwule haben daher den Eindruck, daß die Polizei gegen sie vorgeht und auf der Seite der Täter steht“, kritisiert Edinger. Generell verweigere die Münchner Polizei den Dialog mit schwulen Institutionen. Unter anderem habe Polizeipräsident Roland Koller im Herbst 1995 die Teilnahme an einer Diskussion mit der Rosa Liste abgesagt, weil bald danach Kommunalwahlen in München stattfinden sollten. Koller zeigte jedoch keine Scheu, noch näher am Wahltermin bei einer Veranstaltung des rechtslastigen „Bundes freier Bürger“ aufzutreten.

Falls sich die Linie der Polizei nicht ändert, müßten sich Münchens Schwule demnächst selbst helfen. „Sollte die Münchner Polizeiführung nicht bereit sein umzudenken, muß die Rosa Liste über Selbstschutzmaßnahmen für Münchens Schwule nachdenken“, drohte der schwule Stadtrat Thomas Niederbühl gestern. Felix Berth