Zu mir, zu mihihier!

■ Bei Bayerns 2:1 über Rostock hört wieder keiner Jürgen Klinsmanns Flehen

München (taz) – Er stand da wie einer, der in die Hosen scheißt. Die Knie gebeugt. Ein Bild des Jammers. Weiter oben fuchtelten die Hände: Zu mir. Hallo... Zu mihihier! Natürlich hörte wieder keiner auf Jürgen Klinsmann. Im Gegenteil. Wenn an diesem Tag eines sicher war, dann das: Da wo Klinsmann hinhoppelte, würde der Ball niemals, niemals eintreffen.

Klinsmann tat, als wisse er von nichts. Er spielte Basler raffiniert frei, der rannte, schaute – und dann kam der Ball nicht. Zickler vielleicht? Der vertändelte lieber. Basler wollte rüberschieben – es kam nicht dazu. Zu mir, schrie der ganze Kerl, zu mihihier, und dann rannte er weiter und setzte zu. Wenn's sein mußte, eben allein.

Fünfzehn Spiele sind gespielt, und Jürgen Klinsmann hat vier Tore geschossen. Er kennt das aus Mailand. Bei Bayern herrschen schlicht italienische Verhältnisse. Es ist ermüdend, zuzuschauen, wie die Nichtspieler die ihnen aufgetragene Arbeit verrichten. Einigermaßen konzentriert. Ohne sich ansatzweise von der Lust am Spielen überwältigen zu lassen. Selbst Basler spielt nicht. Er rennt drei-, viermal pro Halbzeit los.

„Wir spielen mit Sicherheit nicht den Fußball, den wir uns alle erträumen“, sagt er. Es wird aber nicht mehr geträumt – die Bayern spielen mit Sicherheit, mit sonst nichts. Rostock, der Tabellenletzte, hat in Phasen nicht schlecht gespielt, ansonsten wie ein Tabellenletzter. Nach Baslers zweitem Tor („man schießt eben mal drauf“) war Hansa erledigt. Das sind die Situationen, wo Klinsmann nachsetzen will, wo Bayern seiner Meinung nach „den Fehler macht, zu sehr auf Sicherheit zu spielen“. Das Spiel hat ihn bestätigt: Hansa kam noch einmal. Das Spiel hat ihn nicht bestätigt. So spricht Basler: „Wir haben zwei Tore, wir haben 2:1 gewonnen, also habe ich alles richtig gemacht.“ Sein Trainer Trapattoni auch.

Na, zweimal kam der Ball im übrigen doch zu Klinsmann. Beim ersten Mal riß Gansauge ihn um – Basler verwandelte den Elfer. Und in der allerletzten Minute – und auch das sagt einiges über Klinsmann – rannte der immer noch, wedelte – zu mir, zu mihier! Diesmal kam Baslers Ball tatsächlich, Klinsmann schob ein, jubelte – und konnte schließlich den Abseitspfiff doch nicht ignorieren. Da schlug er die Hände vors Gesicht und ging traurig davon.

Noch nicht für immer. pu

Bayern München: Kahn - Helmer - Babbel, Kuffour - Basler, Hamann, Strunz, Nerlinger, Ziege - Klinsmann, Rizzitelli (68. Zickler)

Hansa Rostock: Bräutigam - Zallmann - Gansauge, März - Lange (59. Yasser), Hofschneider, Weilandt (74. Barbarez), Beinlich, Studer - Baumgart (46. Micevski), Akpoborie

Tore: 1:0 Basler (31./Foulelfmeter), 2:0 Basler (43.), 2:1 Akpoborie (64.) - Zuschauer: 55.000