Das Kommando: "Stillgestanden!"

■ Internationale Militärchefs sind weder so richtig für noch klar gegen einen Truppeneinsatz in Zaire. In Ruanda treffen äußerst geschwächte Rückkehrer ein, die von Angriffen der Hutu-Milizen berichten

Stuttgart/Goma (AFP/rtr/taz) Die Verhandlungen in Stuttgart über einen internationalen Militäreinsatz in Zaire sind gestern nachmittag nach drei Tagen zu Ende gegangen. Während zur Eröffnung am Freitag noch mehr als 30 Staaten vertreten waren, waren gestern nur noch Militärvertreter aus acht Ländern anwesend. Bei dem von Kanada geleiteten Treffen in einer US-Kaserne ging es nach Angaben eines kanadischen Militärsprechers um die militärischen Aspekte der geplanten Operation. Eine Entscheidung darüber, ob eine Truppe entsandt werden soll oder nicht, werde nicht fallen, hatte Kanadas Außenminister Lloyd Axworthy am Samstag gesagt, als deutlich wurde, daß die Stimmung unter den Militär sich eher gegen einen Truppeneinsatz richtete.

Der vor zehn Tagen vom UN- Sicherheitsrat beschlossene humanitäre Einsatz war fraglich geworden, als sich Hunderttausende der zu versorgenden ruandischen Flüchtlinge in Zaire von selbst auf den Heimweg machten. Hilfsorganisationen appellierten am Wochenende an die Militärs, trotzdem einen Truppeneinsatz zu beschließen – allerdings nur mit einem robusten Mandat. Die britische „Oxfam“ sagte, es bestehe weiter die Notwendigkeit, eine internationale Truppe zu schicken, um Flüchtlinge von den in Zaire operierenden Hutu-Milizen zu trennen und letztere zu entwaffnen. „Wenn die Truppe dieses Mandat nicht hat, sollte sie von einem Eingreifen absehen“, schrieb die Hilfsorganisation. Eine Strategie, nur Hilfe ohne Truppeneinsatz zu liefern, würde „die politische Lösung den örtlichen militärischen Kräften überlassen“ und damit die Fehler wiederholen, die bereits in Bosnien gemacht worden seien.

Die Rückkehrbewegung ruandischer Flüchtlinge aus Zaire nach Ruanda ging unterdessen weiter. Wie zu erwarten war, kommen jetzt die Schwächeren unter den Flüchtlingen an, die für ihre Reise nach Ruanda länger brauchten als die ersten Ankömmlinge. In der zairischen Grenzstadt Goma trafen am Samstag 4000 völlig erschöpfte Flüchtlinge ein, die von schrecklichen Szenen im vulkanischen Virunga-Nationalpark berichteten. „Es gab unterwegs viele, die verdursteten“, sagte ein Rückkehrer. „Wir haben durch Regenwasser überlebt, aber viele starben.“ Manche der Rückkehrer berichteten, ihre Habseligkeiten seien von Angehörigen der noch aktiven ruandischen Hutu-Miliz „Interahamwe“ gestohlen worden.

Am Vortag waren in Ruanda bereits Flüchtlinge eingetroffen, die sagten, sie seien losgezogen, nachdem sie gehört hatten, es werde nicht zu einer internationalen Militärintervention kommen. „Deshalb dachten wir, wir sollten uns auf den Heimweg machen.“

Der zairische Rebellenkommandeur André Kisasse wiederholte unterdessen vor Journalisten seine Auffassung, eine Militärintervention sei unnötig. „Die Flüchtlingskrise ist beigelegt.“ Dieser Meinung ist auch die Regierung von Ruanda, während das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR weiter von bis zu einer Dreiviertelmillion versprengten Flüchtlingen ausgeht. Dieser Dissens führt mittlerweile zu offenem Streit. Ruandas Regierung hat Ende letzter Woche sämtliche UNHCR-Fahrzeuge, mit denen Rückkehrer in ihre Heimatdörfer gebracht werden sollen, unter ihr Kommando gestellt. D.J.