Die Gurke und die Lüge

■ Ersatzpremiere im Thalia-Theater: Oskar Wildes Komödie „Bunbury“

Hinsetzen, entspannen, nicht drüber nachgrübeln: Weder mehr noch weniger dürfen Zuschauer bei der Inszenierung von Oskar Wildes Bunbury im Thalia-Theater erwarten. Da die Handlung eher dünn ist, lebt das Stück von seinen sprachlichen Spitzfindigkeiten. Im Thalia jedoch vegetiert die Komödie mehr dahin, als daß sie lebt.

Nicht, daß Hans Kremer als Algernoon Moncrieff nicht dandyhaft genug wäre oder sein Bruder Jack (Dietmar König) zu wenig verlogen – die Darsteller spielen ihre Künstlichkeit gekonnt. Doch eben darin liegt ihre Schwäche: Die Charaktere reduzieren sich auf zu wenige Eigenschaften. Jacks und Algernoons prägnantester Charakterzug ist der Erfindungsreichtum, mit dem sie sich unangenehmen Pflichten entziehen: Gurkenbrötchenfetischist Algernoon erfindet Bunbury, einen chronisch kranken Freund, der immer dann nach Algernoons Beistand verlangt, wenn dieser auf Dinnerpartys verheiratete Frauen unterhalten soll. Landhausbesitzer Jack erdenkt nach dem gleichen Muster seinen Bruder Earnest, den er oft in London besuchen muß. Als Earnest frönt Jack in der Stadt den Lastern, die er seinem Mündel Cecily auf dem Land aberziehen will. Diese Doppelmoral bringt Jack in Schwierigkeiten, denn seine Verlobte in London will ihn nur unter dem Namen Earnest heiraten.

Vier Wochen lang probten die Schauspieler das Stück von Oskar Wilde, nachdem Kleists Amphystrion vom Spielplan gekippt worden war. Der kurzen Übungszeit fiel außer sprachlichen Pointen auch eine Akzentuierung der Handlung zum Opfer – das Stück beginnt langsam, geht ruhig weiter und überrascht erst in der Schlußszene durch viel Handlung in kurzer Zeit.

Wilde sei Dank sind Bunburys Wortspiele und moralische Spitzfindigkeiten auch nach hundert und einem Jahr noch treffend. Sie bringen das Publikum immer wieder zum Lachen oder wenigstens zum Schmunzeln – besonders, wenn sie aus dem Mund der alternden Lady Bracknell (Elisabeth Schwarz) kommen. Bracknell ist die personifizierte Scheinheiligkeit und die Buhfrau des Stückes: Sie will Jacks Heirat verhindern, denn die bringt nicht genug Geld in die Familienkasse der Braut.

Die Bunbury-Inszenierung ist eine kleine Alternative zum Fernsehabend. Wer jedoch vor Lachen vom Sitz gerissen werden will, sollte sich doch lieber eine Komödie aus der Videothek holen.

Judith Weber