Kutte um Kutte, Zahn um Zahn

■ Findorffer Motorrad-Gang steht wegen Kuttenklau und Körperverletzung vor Gericht

„Wir sind doch keine Räuber“, beteuerten die sechs Jungs gestern im Bremer Strafkammersaal. In bravem Blazer und karierten Hemden nahmen die ehemaligen Rocker vom Motorradclub „Jennifer“ auf der Anklagebank Platz. Mit Baseballschlägern sollen sie die verfeindeten Rocker vom „MC Bremen“ im Juli 1991 in einem Fin-dorffer Motorradclub zusammengeschlagen haben – und ihres wertvollsten Ehrsymbols beraubt haben: Der Motorradkutte, „die zeigt, wo man hingehört“, so der Angeklagte Heino B.

Das „bißchen Hauerei“, das gehöre bei Streitereien zwischen Motorradgangs schließlich dazu. Doch die Hauerei ging laut Anklage mit zerplatzen Schädeldecken und gequetschten Nieren für die überfallenen Rocker vom „MC Bremen“ zu Ende. So gaben sie es gestern im Zeugenstand zu Protokoll. Da sei es „richtig zur Sache gegangen“, so Zeuge Björn O. gestern, der beim Überfall „in einem Gartenstuhl vorm Eingang saß.“ Sein Erzfeind Heino B. vom „Jennifer-Club“ stürmte auf ihn zu, so der Zeuge. „Der hat gesagt: Hier ist das Abräumkommando.“ Dann hätte Heino B. zugeschlagen und seine rund zwanzig Kumpanen ebenso. Die Kutten seien den Überfallenen vom Leib gerissen worden.

Doch für diese harten Vorwürfe hatten die Angeklagten gestern nur ein müdes Lächeln übrig. Die versteckten sich allesamt hinter einer schriftlichen Erklärung, die Anführer Heino B. gestern vor Gericht verlesen ließ. Sonst hätten sie „zu dem Vorfall im Moment nichts zu sagen“. Vom Kuttenwesen und dem heiteren Motorradleben war da die Rede. Außerdem sei „das mit den Kutten überall so. Die werden befeindeten Gangs wie eine Vereinsfahne abgejagt“. Diese würden, „wenn ein größeres Feuer in der Nähe ist, sofort verbrannt.“ Denn, so Heino B.: „Wer sein Kutte verliert, der büßt seine Ehre ein.“ Das sei kein Raubüberfall, sondern eine Abreibung gewesen: „Die haben meiner Frau gesagt, daß sie eine Hure ist.“

Eine Version, die beide Richter nur allzu gerne übernommen hätten. „Wir müssen ja zusehen, wie wir das langwierige Verfahren vernünftig durchkriegen“, so der beisitzende Richter Harms. Ganz glücklich hatte der sich für den Kutten-Vortrag bedankt: „Ich selbst habe ja keine Ahnung. Ich bin ja nur Roller gefahren.“ Ganz sinnig sei der Antrag der Verteidiger, von einem Verbrechen wie einem Raubüberfall abzusehen. Dafür drohen immerhin samt gefährlicher Körperverletzung mindestens fünf Jahre Freiheitsstrafe. „Es ist ja auch lange her, die Angeklagten haben jetzt fast alle Familien“, so Richter Harms.

Da platzte Staatsanwalt Hampf im Gericht der Kragen – während Kuttenjäger und Kuttenlose das barsche Treiben mit skeptischen Blicken begleiteten. „Ich werde bald einen Befangenheitsantrag gegen Sie stellen,“ schrie Hampf die Richter an. Schließlich ginge es nicht an, daß man einfach nach dem Motto „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“ verfahre. Es sei mit Gewalt zugegangen, „und das darf nicht einfach so hingenommen werden.“ Erst müßten alle Tatsachen festgestellt und Zeugen vernommen werden, „dann kann man über alles andere nachdenken.“ Aber die Kutten, und das sei klar, „die sind doch das ganze Ziel der Aktion gewesen.“ Der Prozeß geht am 28. November in die nächste Runde, der Raubvorwurf bleibt. Die Strategie der Verteidiger ist demnach nicht aufgegangen. Diese jedoch sind sauer, daß das Amtsgericht das Verfahren jahrelang schmoren ließ: „Diesen Fall wollte wohl bisher keiner so recht anpacken“, vermutet ein Verteidiger. kat