Wie ein Flirt zur Parteikrise wird

■ Vorwürfe sexueller Belästigung bei Berliner Bündnisgrünen lösen sich auf

Berlin (taz) – Sexuelle Belästigung, ein schwerwiegender Vorwurf, zumal bei den Grünen. Seit Mitte Oktober bereits ventilieren die Parteigremien der Berliner Bündnisgrünen die Vorwürfe gegen den 49jährigen Bundesvorständler Kambiz Behbahani und gegen einen weiteren Berliner Kandidaten für die Vorstandswahl beim grünen Parteitag Ende November, Matthias Dittmer.

Behbahani legte am Wochenende sein Amt im Bundesvorstand der Grünen nieder, um weiteren Schaden für seine Partei zu verhindern. Den Vorwurf der sexuellen Belästigung weist er allerdings weit von sich: „Ich gehöre zu den Männern, die nachts die Straßenseite wechseln, wenn vor ihnen eine Frau läuft.“

Die Ereignisse, die zu den Vorwürfen gegen Behbahani führten, spielten sich im Oktober in einer Kreuzberger Szene-Kneipe ab. Behbahani flirtete mit einer Beschäftigten des Landesverbandes und faßte dabei die Hand der 20jährigen Frau an. Die wies seine Avancen zurück.

Später machte sie den Vorfall jedoch parteiintern öffentlich und und weckte damit die parteiinternen Spürhunde. Drei weitere Frauen berichteten bald darauf im frauenpolitischen Arbeitskreis, daß sie sich von Parteikollegen belästigt fühlten. Die Vorwürfe kamen vor den Landesverband, und in der vergangenen Woche wurde schließlich die Schiedskommission damit befaßt. Die kam nach einer getrennten Anhörung von Behbahani und zwei Frauen zu dem Ergebnis, er habe „nonverbal und verbal signalisierte Grenzen überschritten“ und „den Wunsch der Frauen nach Distanz“ nicht respektiert. Behbahani hat sich mittlerweile in einer Aussprache bei der Frau entschuldigt.

Seinen Rücktritt halten einige bündnisgrüne Frauen und Männer dennoch für richtig. Die einen, weil für sie die Frauen das Maß der Dinge sind. Demnach ist es Sache der Frau, zu entscheiden, was sie als sexuelle Belästigung empfindet. Die anderen halten den Verzicht auf die weitere Kandidatur aus Gründen der „politischen Hygiene“ für unumgänglich.

Und ein zweiter Fall beschäftigt die Gemüter: Für Matthias Dittmer und eine ebenfalls viel jüngere Beschäftigte der Landesgeschäftsstelle endete eine Fete mit dem, was man im ganz normalen Alltag als einen „Party-Unfall“ bezeichnen würde. Was im Alltag nur einen peinlichen Nachgeschmack haben würde, an den frau sich nicht gern erinnert, wanderte ebenfalls in den frauenpolitischen Arbeitskreis des Landesverbandes und wurde zum Politikum. Dittmer habe die Frau darüber hinaus gegen ihren Willen bedrängt, hieß es weiter.

Vor der Schiedskommission wollte die Frau diese Aussage allerdings nicht mehr wiederholen. „Sie hat mich letzte Woche angesprochen“, berichtet Matthias Dittmer der taz gestern, „sie will das, was sie im Frauenbereich gesagt hat, nicht weiter aufrechterhalten.“ Dittmer sieht die Vorwürfe auch als einen Versuch an, seine Kandidatur für einen Posten im Bundesvorstand zu kippen. Zurücktreten will er nicht.

Für die Kreuzberger AL-Frauengruppe sind die Probleme längst nicht aus der Welt. Sie meinen, die Anonymität der betroffenen Frauen müsse unbedingt gewahrt werden, ihre Äußerungen gegenüber ParteikollegInnen müßten als „Beweis“ genügen. Diese Forderung hat die Debatte in den Parteizirkeln vollkommen emotionalisiert und wird auch von den meisten Frauen als vollkommen unhaltbar kritisiert.

Christian Ströbele vom Geschäftsführenden Ausschuß der Bündnisgrünen berichtete am Wochenende, die Partei diskutiere jetzt die Berufung einer Frauenbeauftragten. Dorothee Winden

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