Metaller „nicht die Billigmacher der Nation“

■ Verhaltener Optimismus bei Metall-Tarifverhandlungen. Ein letzter Versuch, miteinander zu reden. Ein Durchbruch bei der Lohnfortzahlung ist nicht in Sicht

Düsseldorf (taz) – Noch bevor der IG-Metall-Verhandlungsführer, Harald Schartau, gestern morgen am Verhandlungstisch Platz nahm, schnupperte er in Mülheim etwas Streikatmosphäre – bei den KollegInnen an der Schokoladenfront. In der Mülheimer Süßwarenfabrik Wissol ging mit Beginn der Frühschicht nichts mehr. Die 300 Beschäftigten traten in einen unbefristeten Streik, um die 100prozentige Lohnfortzahlung durchzusetzen.

Den streikenden Zuckerbäckern gab Schartau das Versprechen, daß die IG-Metall ihnen bei der entscheidenden Verhandlungsrunde im nahen Düsseldorf „keine Knüppel zwischen die Beine werfen werde“. Die IG-Metall, so Schartau später am Verhandlungsort, lasse sich nicht „zum Billigmacher der Nation“ machen. Letztlich gehe es um die Frage, „ob die Arbeitgeber akzeptieren, daß die IG-Metall bei der Lohnfortzahlung festliegt“. Dabei müsse die Gegenseite wissen, daß die „Frage der Urlaubstage“, also der Tausch von Urlaubstagen gegen die Festschreibung von 100 Prozent Lohnfortzahlung, „fast ein Tabu“ für seine Gewerkschaft sei.

Eine Einigung schien dennoch nicht völlig ausgeschlossen. Unisono verbreiteten Schartau und sein Gegenüber, Martin Kannegiesser vom nordrhein-westfälischen Metallarbeitgeberverband, einen Hauch von Optimismus. Kurz nach der Mittagspause sprach Kannegiesser von einer „sehr sachlichen, lösungsorientierten“ Gesprächsatmosphäre. Beide Seiten seien „ernsthaft bemüht eine Lösung zu finden“.

Fast einig war man sich am Mittag schon über den sogenannten Beschäftigungssicherungsvertrag. Ähnlich wie in Bayern und Niedersachsen soll dieser Vertrag es den in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckenden Unternehmen künftig erlauben, die Wochenarbeitszeit für ein Jahr – oder eventuell auch länger – auf 30 Stunden ohne Lohnausgleich zu reduzieren. Als Gegenleistung wollte die Arbeitgeberseite den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen zusichern. Auch eine auf sechs Monate befristete Übernahmegarantie für Auszubildende gehört zu diesem Paket.

Am Nachmittag ging es dann, so Schartau, „um die Wurst“ und „um die letzte Möglichkeit innerhalb der Friedenspflicht zu einer vernünftigen Lösung zu kommen“. Wie schon bei der vorangegangenen gescheiterten Runde in Stuttgart ist die IG-Metall bereit, bei der Festsetzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auf die Berücksichtigung der Überstundenzuschläge zu verzichten. Doch das reichte den Arbeitgebern auch in Düsseldorf nicht. Weitere Kompromißlinien und Kompensationsmöglichkeiten deuteten sich bei den Sonderzahlungen an. Derzeit wird das Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf der Basis des Lohntarifs vom Mai 1994 berechnet. Ab 1. Januar 1997 fällt diese „Deckelung“ weg. Allein die Anpassung der Sonderzahlungen auf die dann gültigen Tarife verursache nach den Berechnungen der Arbeitgeber Kostensteigerungen um 1,1 Prozent. Nicht ausgeschlossen schien gestern, daß die IG-Metall als Kompensation für den Bestand der Lohnfortzahlung zur Aussetzung dieser eigentlich vorgesehenen Anpassung bereit sein könnte.

Bei Redaktionsschluß hielt das Ringen darum noch an. Walter Jakobs