Seeler der Demokratie

Der HSV wählt den Aufsichtsrat, den sich Uns Uwe zu seiner Kontrolle wünschte  ■ Von Clemens Gerlach

Widerworte mag Uwe Seeler nicht. Und wenn sie aus den eigenen Reihen kommen, reagiert der Präsident des Hamburger SV noch ungehaltener als sonst schon. Dann wird Uns Uwe richtig ausfallend.

Montag abend war es wieder soweit. Auf der Jahreshauptversammlung des HSV redete sich der Dicke in Rage, daß man um den Stuck an den Decken des altehrwürdigen Curio-Hauses fürchten mußte.

Auf ein Mikrofon hätte der 60jährige bei seinem verbalen Parforce-Ritt, der sich tagesordnungsmäßig „Aussprache“ nannte, gut verzichten können: Er wäre auch ohne elektronischen Schallverstärker bis in die letzte Reihe des Saals zu verstehen gewesen. „Im Interesse des Vereins warne ich davor, daß hier Mitglieder organisiert werden“, witterte ein puterrot angelaufener Seeler Verrat und das Scheitern des Präsidiums-Plans.

Schön hatten es sich die oberste Rothose & Co. ausgerechnet. Neun Bewerber für den Aufsichtsrat plus eine hernach geleugnete Rücktrittsdrohung („Kei-ner hat gesagt, daß ich hinschmeißen werde“) – macht null Opposition und tolles Wahlergebnis. Die Rechnung ging nicht ganz auf. Zwar wurden „Uwes Lieblings-Kontrolleure“ (Bild) gewählt, aber daß es ein unabhängiger Kandidat erst spannend gemacht hatte, war nicht vorgesehen gewesen.

Christian Reichert hieß der junge Mann, der es neben vier anderen gewagt hatte, der lädierten HSV-Ikone mit dem ganz speziellen Sinn für Bürgerbeteiligung („Eine gute Demokratie muß auch ein bißchen Diktatur haben“) die Stirn zu bieten. Sein Ergebnis – 207 von 458 Stimmen – war ein Achtungserfolg für den 33jährigen stellvertretenden Leiter der „Fördernden Mitglieder“, der mit über 4 000 Mitgliedern größten Abteilung im Verein. Massiv war der Sonderschul-Lehrer vor der Wahl von den HSV-Oberen gedrängt worden, „zum Wohle des Vereins“ von seiner Kandidatur abzusehen. Und in seiner 15minütigen Rede vor den spärlich erschienenen Vereinsangehörigen hatte Uwe Seeler noch einmal in punkto Einschüchterungsversuche nachgelegt: „Einige Mitglieder haben nicht begriffen, worum es geht“, appellierte Seeler an das Gemeinschaftsgefühl, „es geht nicht um einzelne Personen, sondern um die Zukunft des HSV.“

Doch der angebliche Nestbeschmutzer Reichert dachte nicht daran, sich vorschreiben zu lassen, was für seinen Lieblingsclub am besten sei. „Das weiß ich besser, ich arbeite schon länger, als Uwe Seeler Präsident ist, ehrenamtlich an der Basis mit“, erklärte er später gegenüber der taz.

Daß die Unterstützung nicht ausreichte, um einen von Seelers Favoriten abzuhängen, ärgerte Reichert: „Die Mitglieder haben die Möglichkeit vertan, ein Mitspracherecht zu erstreiten.“ Er selber wolle aber nicht aufgeben: „Ich werde weiter etwas für den HSV tun.“ Und Seelers Angebot, er könne jederzeit mithelfen? „Darauf muß ich nicht reagieren – ich tue es bereits.“ Immer diese Widerworte.

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