„Pädophile Propaganda“

■ Das Thema sexueller Mißbrauch an Kindern entzweit Bremer Professoren

Die Studis in seinem Seminar waren „entsetzt“, erinnert sich der Psychologie-Professor Gerhard Amendt an sein letztes Seminar über pädophile Männer. Das besprochene Buch „Die Lust am Kind“ hätte sich als „pädophiles Propagandamaterial“ entpuppt. Bei einem Blick auf den Autor jedoch blieb der Studirunde dann vollends die Spucke weg: Der Wissenschaftler Rüdiger Lautmann ist Soziologie-Professor und lehrt höchstpersönlich an der Bremer Universität. Weil die Hochschulöffentlichkeit bisher zu diesem Vorfall schweigt, will Psychologie-Professor Amendt heute mit einem Vortrag für Zündstoff sorgen.

„Unverantwortlich“ und „skrupellos“ seien die Schriften seines Professoren-Kollegen Lautmann, ärgert sich der Bremer Sexologe Amendt aus dem Institut für Geschlechter- und Generationenforschung. Die bereits 1994 veröffentliche Studie hat tatsächlich bundesweit für Schlagzeilen gesorgt und Autor Lautmann öffentlich als „Pädophilen-Befürworter“ diffamiert. „Lautmann verharmlost die Pädophilie“, kritisiert auch der Bremer Amendt. Pädophile Männer würden als Menschen dargestellt, die eine „ethisch hochstehende und vertretbare Sexualform“ praktizieren. Damit propagiere Lautmann in der Gesellschaft ein neues „sexualpolitisches Programm“: Erwachsene dürften Kinder ruhig sexuell verführen, „solange sie dabei nicht gewalttätig sind.“

Diese Kritik aber weist der beschimpfte Soziologe als „abenteuerliche Folgerungen“ zurück. Er habe nur zu beschreiben versucht, „wie pädophile Männer vorgehen, wenn sie ihre Kinder lieben. Wir haben ja nicht die befragt, die ihre Kinder mißbrauchen oder mißhandeln.“ In der Studie hatte Lautmann 60 pädophile deutsche Männer interviewt – und sich dabei, so Lautmann gegenüber der taz, Werturteile erspart. In der Studie aber hatte Lautmann sich selbst dazu bekannt, damit „Pädophilen helfen“ zu wollen. Er kommt zu dem Schluß: Es sei „einiges Zureden“ nötig, wenn der Pädophile von einem Kind „berührt werden möchte.“ Lautmann: „Sanfte Überredung ist sicher harmlos und mit dem hohen Maß an Verbalisierung notwendig verbunden.“

Dem Bremer Forscher Amendt kann bei „soviel Trivialisierung“ nur schwindlig werden. Er sieht in der Lautmannschen Studie eine klare Verheißung, die Pädophilen eine genußvolle Zukunft voraussagt: Männer könnten sich bald an Mädchen schuldlos vergreifen. Die Gesellschaft sei bald soweit – und sie soll es laut Amendt tatsächlich schon sein. Mit dieser These jedenfalls will sich der Bremer Psychologe heute an die Öffentlichkeit wagen, „um endlich mal einen kritischen Diskurs zu führen.“

Als Beweis für die bedrohliche gesellschaftliche Entwicklung hält Amendt ein Werbeplakat von „ARD und ZDF“ in der Hand: Die kleine „Lolita“ – ein etwa zehnjähriges Mädchen mit langen Haaren und provozierendem Blick – lächelt dort ihr männliches Werbependant an. „Kennen Sie den Timophilen?“, lautet die Unterzeile, die potentiellen Zuschauern die Fernsehserie „Tim und Struppi“ (aus Belgien!) schmackhaft machen soll.

Gerade die Kinder als Opfer aber hätte Lautmann bei seiner Studie sorgsam ausgespart. „Dabei geht es genau darum: Um das Wohl des Kindes“, erregt sich der Kritiker Amendt. Pädophile seien so charaktergestört, daß sie die Generationengrenze immer wieder verantwortungslos überschreiten. „Die sagen immer: Das Kind hat es so gewollt. Das können Sie in jeder Beratungsstelle erfahren.“ Mißbrauch hätte auch ohne Gewalt schlimme Folgen – bis hin zum Selbstmord. Doch auf die Opferperspektive hat Lautmann, so erklärte er gegenüber der taz, bewußt verzichtet: „Kinder kann man einfach nicht beobachten.“ kat

Der Vortrag „Pädophilie oder Über Wissenschaftliche Trivialisierungen inzestartiger Handlungen“ findet um 17 Uhr im GW 2, Raum B 1400 statt. Dort spricht Amendt auch über Ergebnisse seiner neue Studie „Die Zukunft der Männlichkeit. Wie Männer ihre Mütter sehen.“