■ Nachschlag
: Fritz Rudolf Fries sprach im Literaturhaus über sein Leben als IM

Wie kommt das: Da ist ein Schriftsteller, der für die Staatssicherheit nicht arbeiten wollte. Der kein Spitzel sein wollte. Dessen erstes Buch nur im Westen erscheinen konnte. Der deshalb den Job verlor und den die Staatssicherheit beobachtete. Der sich windet, als ihn die Stasi für sich gewinnen will. Aber er unterschreibt eine Verpflichtungserklärung. Hält die Konspiration ein. Erfüllt Wünsche der Staatssicherheit. Berichtet schließlich auch über Kollegen. Freundliches zumeist, aber es gibt Ausnahmen. Nimmt sogar Geld von der Stasi. Nicht viel, aber er nimmt es. Erst im Frühjahr 1996, als die Enttarnung durch andere zu befürchten ist, gibt er seine Mitarbeit erstmals zu. Die Rede ist von Fritz Rudolf Fries (61), der am Montag abend im Literaturhaus Fasanenstraße tat, was wenige Autoren-IM getan haben: Er stellte sich Fragen. Öffentlich.

Dies sei kein Schlachtfest, betonen die Veranstalter. Es geht nicht um Verurteilung. Fries sitzt mit den Schriftstellern Hans Christoph Buch und Uwe Kolbe auf dem Podium. Kolbe ist selbst als 17jähriger angeworben worden und hat – „mit Angst“, wie er sagt – abgelehnt. Mit der Stasi reden, das tat man nicht in der DDR: Dieses Nein sei ein moralischer Imperativ gewesen, hält Kolbe Fries entgegen. Buch, Kolbe und der Leiter des Literaturhauses, Herbert Wiesner, fragen zahm. Haken kaum nach, wenn Fries ausweicht, was häufig passiert. Verteidigen vorsichtig Joachim Walther. Der hat Fries' IM- Geschichte ausgegraben hat, weshalb Fries eine Wut auf ihn hat. Verkehrte Welt: Mit seinem ehemaligen Führungsoffizier trifft sich Fries noch manchmal.

Die Unterschrift unter die Petition zur Biermann-Ausbürgerung zog Fries zurück. Warum? Er plante eine Spanienreise. Die Stasi drohte, die werde nicht stattfinden, falls er die Unterschrift nicht zurückziehe. Fries tat wie befohlen. Das müsse er zu seiner Schande gestehen, sagt er. Seine Ruhe habe er haben wollen. Reisen. Schreiben. Veröffentlichen. Fries tut sich leid. Er fühlt sich zu Unrecht angegriffen auf dieser Veranstaltung. Dabei wird er bloß respektvoll befragt. Er versteht nicht, warum er sich vorhalten lassen soll, daß andere Leute in der DDR viel schlechter gelebt haben als er. „Mit welchem Recht versteht sich die Öffentlichkeit als moralische Anstalt?“ fragt er. Friederike Freier

Die nächste Veranstaltung zum Thema findet morgen, 20 Uhr, statt: „Heimliche Aufklärung 2“ – Joachim Walther spricht über sein Buch „Sicherungsbereich Literatur“, Literaturhaus, Fasanenstr. 23