Verfassungshürde im Doppelschritt nehmen

■ Innensenator will Gebietsreform in zwei Stufen: Erst die Verfassung ändern und später die Zahl der Bezirke festlegen

In einem Doppelschritt will der Senat die politisch heikle Gebietsreform der Bezirke durchsetzen. Zunächst soll im Frühjahr die Verfassung geändert werden – ohne darin die heiß umstrittene Zahl der Bezirke zu nennen. Damit wäre das Thema zunächst aus den Schlagzeilen. Nach Senatssprecher Michael-Andreas Butz könnte das Abgeordnetenhaus dann im Sommer mit einfacher Mehrheit die Zahl der Bezirke beschließen.

Der Reduzierung der Bezirke von 23 auf 12 werden bislang schlechte Chancen eingeräumt. Die CDU-SPD-Koalition hält nur haarscharf die für eine Verfassungsänderung notwendige Zweidrittelmehrheit: Schon bei vier Abweichlern wäre das seit Jahren diskutierte Vorhaben gescheitert. Die Bezirke sind in der Verfassung namentlich erwähnt. Ein neuer Zuschnitt erfordert es also, die Verfassung umzuschreiben.

Die SPD hat gegen den jetzt ins Auge gefaßten Doppelschritt keine grundsätzlichen Bedenken. Justizsenatorin Lore-Maria Peschel-Gutzeit (SPD) hat dem Plan von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) ihren Segen bereits erteilt. Schönbohm will der vorgezogenen Verfassungsänderung mit einem schlichten Satz die Zweidrittelmehrheit sichern: „Das Land Berlin besteht aus Bezirken.“ Alles weitere will der Innensenator in einem Bezirksreformgesetz regeln. Damit wäre auch der wichtigsten Forderung der SPD-Fraktion Rechnung getragen: „In einer so wichtigen Frage muß der Verfassungsgesetzgeber beteiligt werden“, sagte SPD-Sprecher Peter Stadtmüller. Der Verfassungskommentator Gero Pfennig hält Schönbohms Plan für korrekt.

„Das ist eine zweistufige Mogelpackung“, kommentierte die bündnisgrüne Rechtspolitikern Renate Künast den Schönbohm- Plan. Der Senat werde sich die Zweidrittelmehrheit holen, indem er den Bezirken „die Sterne vom Himmel“ verspricht. „Wer da zustimmt“, so Künast, „hat die Katze im Sack gekauft.“ Die Zustimmung vieler Zweifler zu Zahl und Zuschnitt der Bezirke brauche der Senat im Sommer gar nicht mehr.

Eine neue Einteilung der Bezirke könne Ersparnisse von 229 Millionen Mark jährlich erbringen, begründete der Innensenator die Reform. Verwaltungsexperten bestreiten diese Zahl und verweisen darauf, daß die Änderung der Bezirksgrenzen die laufende Verwaltungsreform torpediere. Entschiedene Gegner der Reform sind die Bezirksbürgermeister. Weddings Bürgermeister Nisblé (SPD) kritisiert, daß die Reform „über die Köpfe der Menschen hinweg“ betrieben werde. Von „totalem Unsinn“ sprach Zehlendorfs Bürgermeister Eichstädt (CDU).

Wedding würde im Zuge einer Neuaufteilung mit Prenzlauer Berg fusionieren, Zehlendorf mit Steglitz vereint. Unangetastet blieben lediglich die kleinen Großstädte Spandau, Reinickendorf und Neukölln mit je 300.000 EinwohnerInnen. Der Senat will das von Jörg Schönbohm vorgelegte Reformszenario in zwei Wochen beschließen. Christian Füller