Das Portrait
: Serbiens Oppositionsführer

■ Vuk Draskovic

Mehr als 100.000 Menschen brachte der Oppositionsblock „Zajedno“ am Montag abend auf die Straßen der serbischen Hauptstadt. Die größte Demonstration seit fünf Jahren. Der Protest galt den jüngsten Wahlfälschungen des Regimes. Doch in Wahrheit geht es um Serbiens Zukunft. „Demokratie oder Finsternis“ lautete denn auch der Slogan der Opposition, an dessen Spitze ein Mann steht, der von missionarischem Eifer erfüllt ist.

Weltweit bekannt wurde Draskovic, als er nach einer Demonstration im Juni 1993 von den Schergen des Regimes festgenommen und schwer mißhandelt wurde. Nach einem Hungerstreik im Gefängnis wurde er unter Lebensgefahr ins Krankenhaus eingeliefert und, nach Intervention von Danielle Mitterrand, begnadigt und freigelassen.

Als Führer der „Serbischen Erneuerungsbewegung“ bot der Nationalist und Antikommunist bei den Präsidentschaftswahlen im Dezember 1990 seinem Erzfeind Slobodan Milosevic die Stirn und verlor. Er kritisierte zwar dessen Kriegspolitik und postkommunistische Diktatur, die Serbien politisch und wirtschaftlich ruiniere. Gleichwohl teilt er mit Milosevic einen demagogischen Populismus, der politische Programme weniger wichtig nimmt als die eigene Person.

Geboren wurde Draskovic am 29. November 1946 in Medja in der Provinz Wojwodina. Sein Vater kämpfte als Kommunist und Partisan gegen die Deutschen. Das Jurastudium schloß Draskovic 1968 mit der Promotion ab. Er arbeitete zunächst als Korrespondent in Afrika und trat in den folgenden Jahren auch als Schriftsteller hervor. Zur Zeit der Studentenrevolte gehörte er noch zur extremen Linken, Anfang der 80er Jahre erklärte er seinen „linken Internationalismus“ aber kurzerhand zur Kinderkrankheit und mauserte sich zum großserbischen Politiker. 1983 schrieb er den Bestseller „Das Messer“ (Noz), der die Abschlachtung serbischer Familien durch die Ustascha schildert. Wegen „Entfachens von serbischem Nationalismus“ wurde er mit einem Publikationsverbot belegt.

Der charismatische Volkstribun mit Rauschebart und langen Haaren gilt seit fast sechs Jahren als der wichtigste und einflußreichste Oppositionspolitiker in Belgrad. Erstmals sieht es heute so aus, als könne Draskovic seinen erfahrenen und kaltblütigen Erzfeind Milosevic in die Enge treiben. Ganz nach dem ihm eigenen Motto: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Georg Baltissen