Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen stolpert voran

■ In ihrem Haushaltsstreit hat sich die rot-grüne Landesregierung doch noch geeinigt

Düsseldorf (taz) – Die rot-grüne Koalition in NRW hat sich nach tagelangem Krach gestern doch noch auf einen gemeinsamen Haushalt für das kommende Jahr geeinigt. Im Kern bleibt es bei dem von der Landesregierung vorgelegten Haushaltsentwurf in Höhe von 89,9 Milliarden Mark. Knapp 70 Millionen Mark werden nun aber umgeschichtet.

45 Millionen Mark fließen in Projekte, die besonders den Grünen am Herzen lagen, den Rest darf die SPD neu verteilen. Mehr Geld für Fernwärme, Schienenverkehrstechnik, Seniorenförderung, Flüchtlingsgruppen und Fraueninitiativen gegen sexuelle Gewalt können die Grünen ebenso als Erfolg verbuchen wie einen Sperrvermerk im Verkehrshaushalt.

Während die Grünen für den Straßenneubau nur 130 Millionen Mark zusichern wollten, hatte SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement bis zuletzt auf die im Koalitionsvertrag festgelegte Summe von 150 Millionen bestanden. Der Kompromiß sieht vor, daß nun 15 Millionen Mark mit einem Sperrvermerk belegt werden. Neue Straßen darf Clement damit nicht bauen – nur kaputte reparieren. Der grüne Parteisprecher Reiner Priggen wertete den Haushaltskompromiß gestern als „klaren Erfolg“. Allerdings stimmten von den 24 bündnisgrünen Abgeordneten lediglich 13 dem Entwurf zu, während die SPD-Fraktion ihn einstimmig absegnete.

Zu Beginn der Beratungen hatten die Bündnisgrünen noch drastische Einsparungen in Höhe von 629 Millionen Mark gefordert. Unter Vorsitz des Finanzministers Heinz Schleußer (SPD) soll nun eine Arbeitsgruppe aus Vertretern beider Koalitionsparteien „kurzfristig einen Konsolidierungsbeitrag von 250 Millionen Mark“ erwirtschaften. Den wird man schon deshalb brauchen, weil der vorgelegte Haushalt allein wegen des drohenden Ausfalls der Vermögenssteuer im nächsten Jahr schnell zur Makulatur werden könnte.

Daß das Ringen um den Haushalt auch diesmal wieder von lautem Krisengetöse begleitet wurde, geht vor allem auf das Konto des SPD-Fraktionsvorsitzenden Klaus Matthiesen. Mit der Sache selbst hatte Matthiesens Dramatisierung – „so ernst war die Lage noch nie“ – dabei wenig zu tun. Tatsächlich diente ihm der Streit um die Steuermillionen einmal mehr als Vorlage, um das Bild von einer völlig zerstrittenen, handlungsunfähigen Koalition zu malen. Eine Attacke, die vor allem darauf abzielt, Regierungschef Johannes Rau weiter zu zermürben. Matthiesen möchte möglichst schnell Clement als Rau- Nachfolger etablieren.

Für Aufregung in dem Düsseldorfer Politbiotop hatte der Spiegel am Montag gesorgt. Die unter dem Titel „Der Kerl muß weg“ veröffentlichte Geschichte drehte sich um anonyme Rau-Gegner in der Partei. Alle vier Bezirkschefs der SPD stellten sich daraufhin in einer Erklärung öffentlich hinter Rau. Zusammen mit Clement und Schleußer sei er der Garant der rot-grünen Koalition. Über Matthiesen verloren die vier dabei kein Wort. Walter Jakobs