Gysi ist frustriert

■ Gregor Gysi kritisiert Entwicklung der PDS und droht indirekt mit Austritt

Berlin (taz) – Gregor Gysi sieht die PDS „wieder mal an einem Scheideweg“. Die Partei stehe vor einem „Kultursprung“. In einem persönlich gehaltenem Text unter dem Titel „Nachdenken über die PDS und mich“, den das Neue Deutschland in seiner gestrigen Ausgabe veröffentlicht hat, übt der Vorsitzende der PDS-Gruppe im Bundestag scharfe Kritik an der Entwicklung der PDS und dem innerparteilichen Umgang, ohne dabei Namen zu nennen. „Demokratie wird in unserer Partei immer häufiger mit Zufälligkeit, Unberechenbarkeit, Unzuverlässigkeit und einem hohen Maß an Disziplinlosigkeit verwechselt“, schreibt Gysi. Auf „bestimmten Ebenen“ der PDS gebe es eine „zunehmende Zahl von Wichtigtuern und Selbstdarstellern“.

Gysi sieht angesichts in Deutschland heranreifender „politischer Veränderungen in beachtlichen Größenordnungen“ für die PDS „eine reelle Chance, an Einfluß zu gewinnen“. Doch anstatt für soziale Gerechtigkeit und Demokratie Politik zu betreiben, glaubten einige, „der Hauptzweck der PDS sei die Verteidigung ihrer Biographien und die Fortschreibung ideologischer Formeln“.

Gysis Text erscheint knapp zwei Monate vor dem PDS-Parteitag in Schwerin. Hintergrund ist offenbar – neben den persönlichen Angriffen auf ihn wegen seiner von der Bundesregierung ausgeschriebenen Wohnung in Berlin-Mitte – die verschärfte Diskussion um die für den Parteitag geplante Statutenänderung. Die PDS-Frauenkonferenz hat in diesem Zusammenhang eine Begrenzung von Amts- und Mandatszeiten auf acht Jahre vorgeschlagen. Gysi lehnt das ab. Professionalität sei auch für eine sozialistische Partei wichtig. „Was man braucht, sollte man auch wollen und akzeptieren, sonst bleibt es nicht“, schreibt er und droht indirekt mit seinem Parteiaustritt: „Ich weiß durchaus, daß mein Verlust für die Partei verkraftbar wäre. Aber wenn mit Erfolg alle solche Leute erst einmal verdrängt sind, wird es eng.“ Jens König