Darth Vader der Gefühle

■ Type O Negative haben mehr Erfolg mit Aggressionen gegen Frauen

Schamvoll, beinahe wie an Pickel, erinnert sich so manch ein um Dissidenz bemühter Musikfreund an jene Zeit zurück, in der ein knapp zwei Meter großer Mann aus New York für einige viel zu lange Monate die ganze Aufmerksamkeit bündelte. Damals, es waren die letzten Tage, in denen Techno noch Techno und Hardcore noch Heimat sein konnte, war es die klingende Lebensgeschichte von Peter Rataj-czyk aus dem mythisch überhöhten Brooklyn, die uns aufwühlte.

Ratajczyk, so sickerte es in unsere der sozialen Redlichkeit von Fugazi latent überdrüssigen Wohnküchen, war einer, der seine Aggressionen nicht erst filterte, bevor er sie in die Welt entließ. Der berichteten Härte seines alltäglichen Mad-Max-Daseins entsprachen Texte wie Race War und Jesus Hitler, wo auf jener mittlerweile zu Tode strapazierten Ebene zwischen allegorischer Darstellung (so ist das eben) und faszinierter Agitation (laß mal machen) alle bekannten Ismen abgespult wurden. Die Band dazu hieß Carnivore, Fleischfresser, und diente im besseren Falle über Kopfhörer zur kleinen Haß-Katharsis, im schlechteren zum gemeinsamen Gebrüll.

Nach einer dramaturgischen Pause als Polizist erfuhr Peter, der sich nun Steele nennt, dann seine endgültige Wiedergeburt als Arschloch. Type O Negative begannen vom ersten Ton an, auf Gürtellinien-Niveau zu provozieren, nahmen detaillierte Toilettenverrichtungen aufs Cover und erweiterten ihr Vokabular um den deutschen Ausdruck „der Untermensch“. Dazu erklangen zunächst etwas dreckigere, später Stadionrock-gebügelte Sisters-of-Mercy-Epen.

Diese dumpfe Suppe kochte für einen Sommer. Denn den anfänglichen Spaß, jemanden in bester Wiglaf-Droste-Manier beim Anpinkeln freudloser Linienpolizisten zu unterstützen, beschwerte der völlige Mangel an Inhalt und Niveau. Zudem hatten Type O Negative durch den musikalischen Wandel auch vormals noch gespaltene Hardcore-Gläubige gegen sich, und „der Untermensch“ in Verbindung mit einem geistig entsprechend armseligen Interview brachte schließlich die Antifa in Bewegung und ließ alle Auftritte in Deutschland platzen.

Für seine seitdem erste Tour durch dieses Land nahm sich Steele vier Jahre Zeit. In dieser Frist hat er die Aggression seiner Texte zunehmend gegen Frauen gerichtet und dies, wie die breite Akzeptanz zu beweisen scheint, gesellschaftsfähig gemacht. Mit zwei Veröffentlichungen voll mit Macho-Attitüde durchdrungener Geschichten aus Eifersucht und Leid hat sich der jüngere Bruder von fünf Schwestern endgültig als Darth Vader der Gefühlswelt eingeschrieben und ist damit hoch in den Charts. Er möchte, meint er, „Musik machen, von der sich Frauen berührt fühlen wie von schwarzen Federn“. Dazu posiert er im Playgirl, verdreht seine Augen, bis die Pupillen verschwinden, und verschickt Kondome, auf denen „Love You To Death“ steht. Tausende blutarmer pubertierender Mädchen danken es ihm. Er hat sein Ziel erreicht: Er ist die Kehrseite der Kelly Family.

Holger in't Veld

Di, 3. Dezember, 20 Uhr, Docks