Der „kleine Opa“ soll büßen

Anklage fordert zwölf Jahre Haft für „Kinderschänder von Ohlstedt“  ■ Von Lisa Schönemann

Als Stefanie am 17. August 1992 per Anhalter von Bargteheide nach Jersbek fuhr, wollte sie eigentlich nur bei einer Frau einsteigen. Tatsächlich stieg sie zu einem alten Mann in einen rostroten Opel ein. Als der an einer alten Scheune hält, packt die 15jährige die nackte Angst. Der Fahrer hält ihr ein Messer entgegen, verletzt sie am Kinn und zwingt sie, in den Kofferraum zu klettern. Er schiebt ihr einen Gummiball in den Mund und verdeckt ihre Augen mit einem Tuch. Dann fällt er über sie her. Es kommt zu einem heftigen Kampf. Sie tritt ihm zwischen die Beine, er reißt ihr büschelweise Haare aus. „Kleines Mädchen weiß zuviel, muß jetzt sterben“, sagt der Opelfahrer, und Stefanie schießt es durch den Kopf: „Jetzt sehe ich meine Eltern nie wieder.“ Das Mädchen konnte entkommen.

Die Staatsanwaltschaft hat gestern im Prozeß gegen den mutmaßlichen Vergewaltiger, der sich noch an zwei weiteren Mädchen vergangen haben soll, zwölf Jahre Haft wegen Geiselnahme, versuchten Mordes und diverser sexueller Vergehen gefordert. Außerdem soll der 64jährige in die Psychiatrie eingewiesen werden. „Die Scheußlichkeit seiner Verbrechen“ sei kaum zu überbieten, betonte die Anklagevertreterin Ilse Kahnen-bley in ihrem Plädoyer. Er habe die Mädchen für seine vom psychiatrischen Gutachter attestierten „perversen sexuellen Vorstellungen“ benutzt. Wie der Sachverständige geht auch die Anklage davon aus, daß der unscheinbare Kettenraucher aufgrund einer Persönlich-keitsstörung als vermindert schuldfähig anzusehen ist.

Die anderen Opfer hatten nicht die Chance, zu fliehen und sich wie Stefanie ins nächste Dorf zu retten. Laut Anklage hat der gelernte Schiffahrtskaufmann im August 1994 die neunjährige Luisa in sein Auto gezerrt und für zwei Nächte in sein Haus verschleppt. „Ich schneide dir die Kehle durch“, soll er dem Kind gedroht haben, um es für die brutalsten sexuellen Praktiken gefügig zu machen. Später setzte er das schwer verletzte Mädchen, das ihn bei einer Gegenüberstellung wiedererkannte, im Wald aus. Die Hamburger Kripo bildete eine Sonderkommission, ging Hunderten von Hinweisen nach und stellte auf dem Marktplatz in Ohlstedt eine Puppe mit den Merkmalen des Täters auf. Luisa hatte ihn als „kleinen Opa“ beschrieben. Doch der entscheidende Hinweis einer Zeugin aus Bad Oldesloe kam bei der Soko nie an. Erst im Sommer 1995 konnte der Angeklagte durch einen Zufall festgenommen werden.

Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft ist der untersetzte kleine Mann, der seit Prozeßbeginn im April 1996 an einem Stock in den Gerichtssaal humpelt und schweigend neben seinem Verteidiger Platz nimmt, auch für eine dritte Tat verantwortlich. Im April 1995 wurde die elfjährige Jenny in ein Auto gezerrt, sexuell schwer mißhandelt und freigelassen.

Der Angeklagte hat seitdem verschiedene Versionen zu den Tatvorwürfen präsentiert. Mal gab er ein Alibi an, das vor Gericht keinen Bestand hatte, mal bezeichnete er die Blutflecken im Fond seines Wagens als „Fischblut“. Als die Beweislast nach den kriminaltechnischen Untersuchungen der Blut- und Faserspuren immer erdrückender wurde, vertraute er dem psychiatrischen Gutachter an, daß er sich an die Sache mit Jenny nicht erinnern könne, sie aber nicht bestreiten wolle ... Das Urteil soll am 18. Dezember gesprochen werden.