Erfolgreiche Selbstdemontage

Vorwürfe der HEW: Blohm+Voss hat Kraftwerk-Mißerfolg und damit 140 neue Entlassungen selbst verschuldet  ■ Von Silke Mertins und Stefanie Winter

Nicht die Globalisierung des Weltmarktes, sondern das Mißmanagement von Blohm+Voss hat die sich anbahnende Schließung des Industriebereichs verschuldet. Das geht aus einem Brief des HEW-Vorstandsmitglieds Hans-Joachim Reh an den Umweltsenator vom 22. November hervor, der der taz vorliegt. Die HEW, potentielle Abnehmerin der Heizkraftwerke und Turbinen, wirft Blohm+Voss vor, mit untauglichen und überteuerten Angeboten am Markt vorbei zu produzieren.

Daher seien zwei Aufträge der HEW nicht an das heimische Unternehmen gegangen. „Zum einen handelt es sich um eine Gegendruckturbine“ für die geplante Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm, schreibt HEW-Vorständler Reh, die „um etwa 30 Prozent über dem Konkurrenzangebot lag“ und zudem qualitativ schlechter war. „Die Fertigung bei Blohm + Voss macht darüber hinaus auch keinen streng durchrationalisierten Eindruck.“

In einem weiteren HEW-Ausschreibungsverfahren „hat Blohm +Voss wegen nicht ausreichender Preisgünstigkeit einen Dampfkessel nicht bekommen“. Dies habe zu „teils heftigen Reaktionen von Herrn Dr. Röschmann“ – Geschäftsführer von Blohm+Voss Industrie – geführt, der „den Auftrag wohl als sicher angesehen hatte“. Der HEW war in der Vergangenheit häufig vorgeworfen worden, Blohm+Voss nicht genügend durch Aufträge für Blockheizkraftwerke zu fördern. Die HEW weist die Vorwürfe zurück. Sie hätten sogar „einen Hamburg-Bonus eingeräumt, der jedoch nicht so groß sein konnte, wie es dem Preisabstand entsprach“. Mit rund 100 Millionen Mark Subventionen hat die Stadt Hamburg in den vergangenen 15 Jahren die heimische Werft unterstützt. „Blohm+Voss wurde hofiert“, so ein HEW-Mitarbeiter. Die Zeche für das Versagen des Managements müssen nun die Arbeitnehmer zahlen: Im Oktober waren weitere 140 Entlassungen im Industrie-Bereich angekündigt worden; der Betriebsratsvorsitzende Peter Schwarz fürchtet um die Überlebensfähigkeit des gesamten Unternehmens. Und die Hoffnung auf arbeitsplatzrettende Zusagen wurde gestern bei einer Veranstaltung mit Vertretern aus Landespolitik und Management zunichte gemacht.

Ein „Sieben-Punkte-Programm“ von Betriebsrat und dem „Arbeitskreis Alternative Fertigung“, das mit Geld und Geduld aus der jetzigen Krise führen könnte, wurde einmütig und theoretisch befürwortet. Der lange Atem fehlt dem Management jedoch ebenso wie die innovative Weitsicht und die Bereitschaft des Mutterkonzerns Thyssen, vor den Gewinn (insgesamt 650 Millionen Mark in 1995) Investitionen zu setzen.

Die hiesige Geschäftsführung verfüge nicht über die Handlungsspielräume, die sie bräuchte, klagt Betriebsrat Ulrich Schmors. Überdies seien die „vielfältigen Möglichkeiten“, über die Blohm+Voss Industrie in Fertigung, Entwicklung und Konstruktion verfügt, nicht „gepflegt“ worden. Die Zusammenarbeit mit Zulieferern beim Gasturbinenbau und für die Heizwerkmotoren wurde zwar als schwierig erkannt – gehandelt worden sei daraufhin aber nicht.

Auch die von HEW und Blohm +Voss Industrie geplante Zusammenarbeit bei internationalen Aktivitäten wird in Hamburg keinen Arbeitsplatz retten. „Wir können“, sagt Dieter Röschmann, „nicht nur von Hamburg leben.“