Häftling verprügelte sich selbst

■ Zwei Beamte der JVA Tegel wurden vom Vorwurf der Körperverletzung eines Gefangenen bei einer Zellendurchsuchung freigesprochen. Gegen zwei Insassen wird nun wegen Falschaussage ermittelt

Der Vorwurf war schwerwiegend: Wegen des Verdachts, einen kurdischen Gefangenen im vergangenen Jahr schwer mißhandelt zu haben, mußten sich zwei Bedienstete der Justizvollzugsanstalt Tegel vor dem Amtsgericht verantworten. Der Prozeß endete jetzt nach mehrtägiger Verhandlung mit einem Freispruch. Bei der Urteilsverkündung betonte der Richter, er sei voll und ganz von der Unschuld der Beamten überzeugt. Es handele sich deshalb wohlgemerkt um keinen sogenannten Freispruch „zweiter Klasse“, der aufgrund von Zweifeln an den unterschiedlichen Versionen der Angeklagten und Zeugen ergangen sei.

Der Staatsanwalt kündigte an, er werde gegen die beiden Gefangenen, die die Beamten mit widersprüchlichen Angaben belastet hatten, ein Strafverfahren wegen Falschaussage einleiten. Der Tegeler Anstaltsleiter Klaus Lange- Lehngut kommentierte den Prozeßausgang mit den Worten, er habe in seiner Amtszeit schon viele falsche Anschuldigungen von Insassen gegen Beamte erlebt, „aber das war eine der übelsten Sorte“. Nicht geklärt wurde im Prozeß, was die zwei Gefangenen zu ihrem Vorwurf an die Adresse der Vollzugsbeamten bewogen haben könnte.

Unstrittig ist der erste Teil des Vorfalls: Demnach wollten die beiden Bediensteten am Abend des 10. Januar 1995 den kurdischen Gefangenen Ertan G. in seiner Zelle nach Drogen durchsuchen. Als sie den Insassen aufforderten, sich ausziehen, so die Angeklagten vor Gericht, habe dieser laut angefangen zu schreien. Just in dem Moment, als andere Gefangene herbeigeeilt seien, habe der Kurde begonnen, mit seinen Fäusten auf sich selbst einzuschlagen.

Der kurdische Gefangene sagte hingegen, die Beamten hätten ihn geschlagen. Da er sich aber eine Decke über den Kopf gezogen habe, könne er nicht sagen, welcher Bedienstete ihn mit welchem Gegenstand mißhandelt habe. Von einer Decke hatte der hinzugeeilte zweite Belastungszeuge hingegen nichts gesehen. Er allerdings sagte aus, die Beamten hätten auf Ertan G. „mit einem abgebrochenen Besenstil“ eingeschlagen.

Staatsanwaltschaft und Verteidigung spekulierten in ihren Plädoyers, daß der Kurde bei der Durchsuchung nur deshalb so getobt habe, um von seinen Drogengeschäften abzulenken. Möglicherweise habe er anderen Gefangenen in dem Durcheinander in der Zelle Gelegenheit geben wollen, die Drogen unauffällig beiseite zu schaffen. Die taz hatte seinerzeit über den Vorfall groß unter der Überschrift „Sich selbst verprügelt?“ berichtet. Plutonia Plarre