Skandale stärken Hashimoto

Japans Regierungschef hat gut lachen: Trotz diverser Verstrickungen steigt seine Popularität beim Wahlvolk – und er hat keine Kontrahenten  ■ Aus Tokio Georg Blume

Liberaldemokratische Parteifreunde sitzen in Untersuchungshaft, skandalbeladene Staatssekretäre treten zurück und private Spender des Premierministers stehen unter Korruptionsverdacht — Japan wie es leibt und lebt in Zeiten unangefochtener Herrschaft der liberaldemokratischen Partei (LDP). Ein wenig war das Unwesen der LDP schon in Vergessenheit geraten. In Tokio hatten zuletzt Koalitionen regiert, deren Minister sauber waren. Doch schon wenige Wochen nach den Parlamentswahlen im Herbst und der Aufstellung des ersten reinen LDP-Kabinetts in dreieinhalb Jahren kocht die alte Skandalsuppe wieder hoch.

Das Überraschende daran: Premierminister Ryutaro Hashimoto können selbst die haarsträubensten Enthüllungen nicht beikommen. Auf einmal zeigen sich die bislang so skandalempfindlichen JapanerInnen unbeeindruckt: 53 Prozent unterstützen nach einer gestern veröffentlichten Umfrage der Tageszeitung Asahi die Politik des Regierungschefs, fünf Prozent mehr als im September. Dabei hatten Regierungsstrategen diesmal mit einer deutlichen Abschwächung der Popularität Hashimotos gerechnet. Dem Premierminister war nach seiner Wiederwahl im November zur Last gelegt worden, einen inzwischen wegen Bestechlichkeit verhafteten LDP-Politiker im Wahlkampf persönlich gefördert zu haben. Hashimoto soll außerdem Spenden des Unternehmers Koyama erhalten haben, der im gleichen Bestechungsfall unter Korruptionsverdacht steht. Koyamas Aussagen gegenüber der Polizei erzwangen bereits den Rücktritt eines Staatssekretärs, der als enger Vertrauter Hashimotos galt. Da die Skandalgeschichte diesmal im Milieu des Gesundheitsministerium spielt, ist Hashimoto direkt betroffen. Wie jeder Politiker, der es in Japan zu etwas bringen will, sicherte sich Hashimoto in Partei, Parlament und Ministerialbürokratie einen persönlichen Einflußkreis. Schon Anfang der siebziger Jahre entschied sich Hashimoto für die Gesundheitspolitik: Hier fand er seine Wohltäter. Im „eisernen Dreieck“ der japanischen Politik zwischen LDP, Wirtschaft und Bürokratie fiel dem Emporkömmling die Rolle des Vermittlers zwischen Pharmakonzernen und Gesundheitsministerium zu. Im Parlament trug ihm das den informellen Titel des „Clanführers“ der Gesundheitspolitik ein.

Gut für Hashimoto, daß die Öffentlichkeit derzeit bereit ist, über seine Vergangenheit hinwegzusehen. Mit Vehemenz konnte sich der Premierminister über die Skandalsünder in dem von ihm immer noch beschatteten Ministerium empören und Reformen gegen die angeblich skrupellose Bürokratie versprechen. Als hätte er von all den scheußlichen Dingen nichts gewußt. Wer es nicht glauben wollte, stieß freilich schnell auf ein Problem, das diejenigen, die dem Premierminister weiterhin applaudierten, bereits ahnen mußten: Japan braucht Hashimoto. Ihm fehlen nicht nur Nachfolger in der LDP, sondern Gegenspieler in der Opposition.

„Was die nötigen Wirtschaftsreformen anbelangt, könnte der Skandal als Katalysator fungieren und die Reformen sogar beschleunigen“, beruhigte sich ein japanischer Börsenspezialist, der auf Hashimotos Deregulierung des Finanzmarkts hoffte. Ihm ging es genauso wie den Sozialexperten, die mit einem jetzt vorgelegten Gesetz auf die Einführung einer Pflegeversicherung für die Alten drängten. Ohne Hashimoto, der in der LDP als einziger politischen Entscheidungswillen verkörpert, drohen alle Reformvorhaben in den Mühlen der Bürokratie zu versickern.

Historisch haben diejenigen, die angesichts der Verwicklungen ihres Regierungschefs beide Augen zudrücken, dennoch unrecht: Bisher genoß in der LDP nur der langjährige Premier Yasuhiro Nakasone ein ähnliches Ansehen wie jetzt Hashimoto. Unter Nakasone, der selbst immer wieder Reformen verkündete, blieb in den achtziger Jahren dennoch alles beim alten.