In Frankreich stehen die Räder still

Internationale Proteste gegen Straßenblockaden. Löhne und Arbeitszeiten der Brummifahrer in Europa extrem unterschiedlich. Kurzarbeit wegen fehlender Zulieferungen bei Renault  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

„Wir haben Zeit, wir machen weiter“, sagte ein LKW-Fahrer an einer bretonischen Barrikade, als gestern morgen die ersten positiven Verhandlungsergebnisse aus Paris ankamen. Die von der Regierung zugesagte Verrentung ab 55 Jahren ist für die Männer und wenigen Frauen, die jung „auf den Bock“ gehen und früh alt aussehen, nur ein Teilsieg. Sie wollen vor allem die Anerkennung für ihre Knochenarbeit im Hier und Jetzt bekommen: Bezahlung der Überstunden, verbindliche Arbeitszeiten, Lohnerhöhungen.

Seit Streikbeginn machen die LKW-Fahrer an den Barrikaden das Gesetz. Sie bestimmen, welche Transporter durchgelassen werden. Derart privilegiert sind nur LKWs mit behördlicher Genehmigung und Polizeieskorte, die im Dienste des Gemeinwohls – etwa der Krankenhäuser – unterwegs sind. Ausländische LKWs halten die Streikenden beinahe ausnahmslos fest. Vor allem die zahlreichen Laster aus Großbritannien, die Frankreich beinahe zwangsläufig durchqueren müssen, wenn sie „nach Europa“ wollen, aber auch portugiesische und deutsche sind betroffen.

Auch in Dänemark haben LKW-Fahrer die Grenzen dichtgemacht; sie fordern eine Erhöhung ihrer Tagespauschale bei Auslandsaufenthalten. Betroffen sind vor allem Weihnachtsbaum- und Fleischtransporte.

Die Klage des „Bundesverbandes des Deutschen Güterfernverkehrs“, der ankündigt, mehrere deutsche Betriebe stünden wegen ihrer festgehaltenen Laster kurz vor der Schließung, beeindruckte die Streikenden wenig. Nachdem zuvor bereits in Frankreich mehrere große Unternehmen, darunter Renault, Kurzarbeit angemeldet hatten, stimmte die LKW-Fahrer auch die Mitteilung einer möglicherweise bevorstehenden Kurzarbeit bei VW in Deutschland nicht um. Die hartnäckigen Proteste aus dem Ausland und die Intervention mehrerer LKW-Gewerkschaften, darunter der britischen, sorgten bis gestern nur dafür, daß ein Teil der ausländischen LKWs in Richtung Heimat abziehen durften.

„Wenn ich der einzige wäre, der 7.000 Francs im Monat (etwa 2.000 Mark – der durchschnittliche Lohn eines französischen LKW-Fahrers) kriegte, würde ich mir sagen: selber schuld“, erklärt ein Streikender, der seit zehn Tagen eine Raffinerie- Ausfahrt mit seinem 40-Tonner blockiert. „Aber es geht uns allen so.“

Umgerechnet auf die tatsächlichen Arbeitsstunden der LKW- Fahrer, liegt deren Stundenlohn bei 32 Francs (9,50 Mark) – noch unter dem gesetzlichen Mindestlohn. Damit nicht genug, sind in letzter Zeit Verträge bekanntgeworden, wonach polnische Fahrer für nur 4.500 Francs beschäftigt werden.

Die Liberalisierung im europäischen Markt hat seit Anfang der 90er Jahre einen stetig wachsenden Anteil des Gütertransports auf die Straße verlagert – und das Entstehen zahlreicher kleiner Betriebe begünstigt. Ein Vergleich der EU- Kommission macht aber deutlich, daß es mit der EU-Harmonisierung nicht weit her ist: Die französischen LKW-Fahrer arbeiten an 480 Tagen in zwei Jahren, während ihre luxemburgischen Kollegen 432 Tage am Steuer sitzen. Arbeitszeitmäßig sind deutsche und französische Fahrer gleichgestellt, aber die deutschen sind EU-Spitzenreiter bei den Löhnen.