Schwarzer Block in Farbe

■ Bestens gelaunt tanzten annähernd 1.000 Demonstranten gegen Häuserräumungen. Weihnachtsmänner und Zivis Arm in Arm, die Polizei spendete blaues Discolicht

„Die Band muß kurz Pause machen, damit der Propaganda-Wagen mal wieder zu Wort kommt.“ Doch diese Aufforderung und die joviale Geste des Demo-Moderators blieben ohne große Folgen. Musik und Tanz dominierten am Mittwoch abend die Spaßparade für den Erhalt der besetzten Häuser. „Warum auch nicht“, begründete ein Demonstrant die Abwesenheit von politischen Parolen, „uns hört eh keiner zu.“

„Es gibt etwas zu feiern: uns“, hatte ein Organisator der Parade trotz der zehn Räumungen in den letzten Monaten verkündet. Die Botschaft des gutgelaunten Umzugs wurde durch Kulturrecycling transportiert: „In dieser Stadt bin ich zu Haus, aus dieser Stadt kriegt ihr mich nicht raus“, posaunte eine der drei Bands einen alten Hildegard-Knef-Song vom bombastischen Sattelschlepper. Laternentragende Weihnachtsmänner tanzten Arm in Arm mit gefälschten Zivilpolizisten. Selbst Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) wiegte sich im Takte – wenn auch nur als überdimensionale Putzmittelflasche der Marke „General: gibt nationalen Halt und säubert Ihren Kiez“.

Vier Stunden feierte der Pöbel kreuz und quer durch Friedrichshain – an allen noch oder ehemals besetzten Häusern entlang. Auch die Mainzer Straße, bis zur Räumung im November 1990 mit 13 besetzten Häusern das Herz der Szene, wurde passend beschallt: „Nur nicht aus Liebe weinen, es gibt auf Erden nicht nur den einen...“

Auf vierhundert Teilnehmer dezimierte die üblich niedrige Polizeischätzung die friedliche Open- air-Party. Aber so könnte wenigstens eine der optimistischen Prognosen für die nächste Demonstration am Samstag annähernd erfüllt werden: „Dann sind wir noch zehnmal mehr, zehnmal besser gelaunt, und die Sonne wird scheinen bei 25 Grad im Schatten.“ Immerhin habe es keine „veranstaltungsbezogene“ Festnahme gegeben, bilanzierte ein Polizeisprecher. Seine Kollegen hatten sich weitgehend zurückgehalten, spendeten allenfalls aus den Seitenstraßen blaues Discolicht. Vor Ort amüsierten nur angetrabte Ordnungshüter, deren Rösser im Takt der Musik scheuten. Ein Polizist wurde beobachtet, als er entspannt lächelte. Schaden nahm nur eine in der Demonstration mitgeführte Pappstraßenbahn – sie wurde bei einer Feuerjonglage ein Opfer der Flammen. Gereon Asmuth