Gengemüse soll künftig auch so heißen

■ Ministerrat und EU-Parlament einigen sich auf Kompromiß über Kennzeichnung manipulierter Lebensmittel. Grünen-Abgeordnete kritisiert „Mogelpackung“

Brüssel (taz) – Nach jahrelangem Tauziehen haben sich der EU-Ministerrat und das EU-Parlament gestern im Vermittlungsausschuß auf einen Kompromiß über die Kennzeichnung von genmanipulierten Lebensmitteln geeinigt. Danach müssen künftig alle Nahrungsmittel, die sich chemisch von vergleichbaren und herkömmlichen Produkten unterscheiden, einen Hinweis auf das Genverfahren tragen. Die Kennzeichnungsverordnung muß in den nächsten Wochen noch vom Ministerrat und vom Europaparlament abgesegnet werden.

Nach dem Kompromiß im Vermittlungsausschuß ist das nur noch Formsache. Die Verordnung wird voraussichtlich im Februar oder März nächsten Jahres in Kraft treten. Die verbraucherpolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament, Hiltrud Breyer, kritisierte die Verordnung als „Mogelpackung“. Aufgrund der vielen Lücken würden die Verbraucher bei mehr als 90 Prozent der Produkte, die gentechnisch veränderte Bestandteile haben, im unklaren gelassen. Abgeordnete der Christdemokraten und der Sozialdemokraten begrüßten den Kompromiß dagegen als wichtigen Schritt zu einem besseren Verbraucherschutz.

Obwohl seit Monaten bereits Lebensmittel auf dem Markt sind, bei deren Herstellung genmanipulierte Produkte verwendet wurden, gibt es bisher keine Regelung über die Kennzeichnungspflicht. Seit 1992 haben sich die EU-Kommission und einige Mitgliedsregierungen bemüht, jede mögliche Etikettierungsvorschrift zu verwässern. Das Europaparlament, das mehrheitlich für eine umfassende Kennzeichnungspflicht war, lenkte schließlich auf den Kompromiß ein, um endlich den rechtsfreien Zustand zu beenden.

Forschungsminister Rüttgers, der ursprünglich eine Kennzeichnung aller genmanipulierten Lebensmittel forderte, sieht im Vermittlungsergebnis einen wichtigen Beitrag zu mehr Akzeptanz der Gentechnik. Der Bürger könne jetzt selbst entscheiden, ob er Gentomaten kaufen wolle oder nicht. Alois Berger Seite 6