: Ein neuer Beruf
Heute kommt Sonnenbank-Heinzi an meine Kiosk-Luke, kauft sich ne taz und dabei murmelt er in einer Tour: „Das kann doch nicht wahr sein!
Das kann doch nicht angehn!“ Leichenblaß ist er auch noch. „Was ist
denn los, Heinzi?“ frag ich, „bist du krank oder hat Herr Wrocklage
dein' Sauna-Club dichtgemacht?“ „Viel schlimmer“, seufzt Heinzi, und denn bricht das gradezu aus ihn raus:„Nu
läuft doch überall die Privatisierungswelle:
Die kommunalen Reinmachefrauen wurden durch private Putzgangs abgelöst, die Telekom wird privatisiert, Krankenhäuser und Knäste sollen ebenfalls von Privatfirmen
übernommen werden, auch die Bundeswehr ist schon im Gespräch, Daimler-Benz und die
Bayer-Chemie haben schon ihr Interesse
bekundet, den maroden Laden zu schlucken, die Buweh-Aktie würde die von Telekom
dann auf jeden Fall weit hinter sich lassen. Denn den beiden interessierten Konzernen wäre es durchaus zuzutrauen, eine
WIRKLICH schlagkräftige Privatarmee auf die Beine zu stellen, die wieder an die alten Qualitätsmaßstäbe anschließt. Die Polizei ist schon lange durch private Wachdienste in die Ecke gedrängt worden. Bloß auf meinem Berufssektor läuft es umgekehrt...“ Als er nu sein Batisttüchlein ausse Hosentasche holt, zieht er aus Versehn sein' Schlagring mit raus. Das Ding klirrt auffen Bürgersteig, aber Heinzi läßt es liegen. „Ist ja doch zu nichts mehr nütze...“ „Ich finde die neue Entwicklung nicht schlecht“, sagt Revierförster Noske vonne Großneumarkt-Wache. „Das kann ich mir vorstellen“, braust nu Heinzi auf, „weil Sie und Ihre Leute ja durch die privaten Kollegen fast arbeitslos geworden sind! Reif für die Abwicklung! Und nun haben Sie neue Betätigungsfelder!“ „Ich versteh bloß noch Bahnhof“, sag ich, vielleicht kann mir mal jemand erklärn, von was die Rede ist. Man glaubt doch, man sitzt inne Bürgerschaftssitzung!“ „Mit Vergnügen“, sagt da mitmal so'n älterer Herr, der sich total unauffällig rangeschlichen hat, „aber zuerst geben Sie mir mal das Zwangsversteigerungsverzeichnis für Hamburger Immobilien!“ Ich mach das, und er legt los: Daß nämlich die Nu... die Prosties nu zu ein' richtigen Beruf werden solln. So'n Mittelding zwischen Krankenschwester und Kotzmetikerin. Und sagt der ältere Herr, der sich als Oberinspektor Wawaller vorstellt: „Die Berufsbezeichnung, die meine Dienststelle entwickelt hat, ist jetzt SEXUALPRAKTIKERIN. Wie bei jedem anderen Beruf gibt es auch hier eine Ausbildung, die sowohl einen praktischen Teil als auch einen theoretischen, den die Berufsschulen betreuen, beinhaltet. Der theoretische Teil der Ausbildung führt selbstverständlich zu einer schriftlichen, einer mündlichen und einer praktischen Abschlußprüfung, die von der staatlichen Schulaufsichtsbehörde, aber auch von der Industrie- und Handelskammer abgenommen wird. Die zu erbringende Dienstleistung wird demnach als Teil eines Geschäftsvertrages gewertet, für die ein Entgelt zu erbringen ist.“ „Und wenn der Freier...“, schreit Heinzi, aber der Herr Oberinspektor unterbricht ihn: „KUNDE bitte! Oder KLIENT!“ „Schön, wenn also früher der Kunde die Kohle nicht abdrücken wollte, dann traten die... die Beschützer in Aktion...“ „Und zukünftig übenimmt diese Aufgabe in der Tat unsere Polizei...“, nickt Revierförster Noske, „wie bei einer Zechprellerei... Für irgendwas müssen wir ja noch gut sein...“
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