Hamburger Lesezeichen

■ Kunst ist dampfgehärteter Porenbeton

„Wenn ich über Quallen latsch' hör ich leis', sie lallen Quatsch.“

Zehn junge Hamburger AutorInnen und elf Illustratoren taten sich zusammen, und heraus kam erst einmal: Nonsens pur. Da sitzen Jäger auf Badezimmerschränken und erlegen kapitale Hirsche, im Supermarkt spritzt nach Splatter-Manier gelb-grüner Eiter aus der attackierten Kassiererin, und traurige Ornithologen stimmen Klagegesänge an:

„Mein Leben ist die Hölle mein Leben ist die Pest

Die Eule kotzt Gewölle Ins frischgeputzte Nest.“

Ytong nennt sich die Textsammlung, die dies alles und noch mehr in sich birgt. „Ytong“ meint dampfgehärteten Porenbeton. „Ytong“ gab es nicht, bevor sich ein Betonmischer den Begriff erdachte. Ein Kunstwort also, und künstlich mutet auch die Welt an, in der sich die Protagonisten der Hamburger Jungpoeten bewegen. Sie leiden, an sich, an Phobien, an Horrorvisionen und an gähnender Langeweile. Sie gehen mit ihrem Staubsauger in die Badewanne, verlieren sich in kafkaesken Unterwelten oder sitzen tagein, tagaus am Fenster zum Hof und bespitzeln die Nachbarn. „Mein Leben ist: Neurosen Mein Leben, das ist mau Der Thunfisch lebt in Dosen Genau wie Kabeljau.“

Alltag wird auf den Kopf gestellt, Absurdes steht neben banaler Normalität, und auch die virtuelle Welt der Computer kommt nicht zu kurz. Ein Muß für alle, die sich für Haarsträubendes begeistern können. flo

Ytong – Eine Textsammlung. Hrg. von Martin Hielscher. Edition 406, 284 Seiten