Ladenhit: Lichterkette

■ Der Lichterketten-Wahn taucht in seine heißeste Phase ein: Bremens Küchenfenster, Läden und Weihnachtsbäume werden mit Lichterketten behängt

Schweißgebadet hält Irmtraut K. vom Second-Hand-Laden „Modeküsse“ ihre Stromabrechnung in der Hand: Monatelang hatte sie sich an ihren glitzernden Lichterketten im Schaufenster erfreut. Jetzt soll die Ladenbesitzerin dafür 700 Mark mehr Stromgeld bezahlen. Abend für Abend hatten die bis zu sieben Watt-Birnen teuren Strom aus der Steckdose getankt. Doch von solchen Hiobsbotschaften lassen sich weihnachtsgestimmte BremerInnen nicht den Spaß verderben: Der Run auf die Lichterketten hat begonnen – in Bremens Wohnungen und Straßen glitzert, glänzt und blinkt es wie verrückt.

„Das sind eben kleine effektvolle Leuchtmittel mit eher glimmerigem Licht“, schwärmt der Mitarbeiter eines Bremer Lichtgroßhandels, „sie sind nicht grell und bestechen durch die Vielzahl kleiner Lichtpunkte.“ Im Lichter-Großhandel klingeln jetzt zur Vorweihnachtszeit mächtig die Kassen: Kneipen, Läden und Kaufhäuser wollen mit Lichterketten versorgt werden.

Im Karstadt-Kaufhaus packen VerkäuferInnen bereist geschäftig „Qualitätsmini-Lichterketten“ für knapp zehn Mark aus. Familie Onkenboom greift zielsicher in ein Verkaufsregal, um auch dieses Jahr ihre Fenster und Blumenkästen mit einer „Aussen-Lichterkette mit Transformator“ zu schmücken – allerdings nur mit kleinen 0,5 Watt Birnen. Die großen Kaufhäuser, Läden und Bistros in Bremen dagegen greifen da schon zu kompletten Lichteranlagen, die bis zu 20.000 Watt durch die Birnchen jagen, damit es vor und in den Schaufenstern weihnachtlich glänzt und glitzert. Wieviel Strom diese weihnachtliche Stadt jeden Abend kostet, weiß der Mitarbeiter des Bremer „Lichthauses“ jedoch nicht. „Sie können davon ausgehen, daß Mini-Lichterketten wirtschaftlicher sind.“

Auch der heimatliche Weihnachtsbaum kann mit schmuckvollen Lichterketten feuersicher behängt werden. Das Ehepaar Otte schwört schon seit fünfzehn Jahren auf sichere Elektrokerzen an der Kette. Schließlich soll es ein lustiges Weihnachtsfest werden, aber es soll auch „sicher sein“, findet der Mann von Karin Otte. Wachskerzen am Baum kommen für ihn nicht in Frage, erklärt er. „Die sind schief und krumm und die Elektrokerzen in der Kette stehen kerzengerade.“ Da könne nichts „schiefgehen. Sie wissen ja, wie schnell so ein Weihnachtsbaum Feuer fängt.“ Frau Karin dagegen mag das elektrischer Licht „gar nicht“. Die Gegnerin von sicherem Kunstlicht liebt „ganz normale Kerzen , weil–s gemütlicher ist.“ Doch wegen der Enkelkinder sei das einfach zu gefährlich.

Wer wie Karin Otte mit künstlichen Birnenlicht auf Kriegsfuß steht, kann bei Karstadt dennoch gute, alte Bienenwachskerzen kaufen. Die stecken allerdings schief und krumm in den bei Karstadt aufgebauten Weihnachtsbäumen in der Fassung. Das wäre nichts für den Familienvater und Elektro-Fan Otte, der so etwas beileibe nicht gerne sieht. “Schließlich kann da ja mal ganz hinten, am Weihnachtsbaum eine Kerze umfallen. Und man sieht es dann nicht.“ Mit einer neuen Elektro-Lichterkette wäre so etwas niemals passiert, verspricht die weinrote Verkaufspackung: „Neu. Mit Dekorations-Saugnäpfen“, ist dort zu lesen. Aber Vorsicht: Selbst bei diesen sicheren Leuchten weiß Verbraucher nie: „Achtung“, warnt die Gebrauchsanweisung: „Nur in geschlossenen Wohnungen verwenden. Vor dem Wechseln der Birnchen Netzstecker rausziehen.“ Scheinbar muß es auch schon Menschen gegeben haben, die die Birnchen an ihrer Kette einfach unverschämterweise in der Verpackung leuchten ließen. Das, so warnen die Gebrauchsanleiter, solle man wegen „Überhitzungsgefahr“ lieber vermeiden.

Die Second-hand-Ladenbesitzerin Irmtraut K. hat sich jetzt erstmal Sparlämpchen gekauft. Damit ihr wenigstens bei der nächsten Stromabrechnung nicht heiß wird.

Katja Ubben