Kriegsverbrechertribunal fällt erstes Urteil

■ Zehn Jahre Haft für den Kroaten Erdemović wegen der Massaker von Srebrenica

Den Haag (AP/taz) – Erstmals nach den Kriegsverbrecherprozessen in Nürnberg und Tokio sind Greueltaten in Uniform von einem internationalen Tribunal geahndet worden: Wegen der Beteiligung an einem Massaker nach der serbischen Eroberung der UN-Schutzzone Srebrenica wurde der Kroate Drazen Erdemović gestern in Den Haag zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt.

Der 25jährige Angeklagte war nach eigenem Geständnis im Juli vergangenen Jahres an der Ermordung von 1.200 Muslimen beteiligt. Das Massaker fand auf einem Bauernhof in Pilica, nördlich von Srebrenica, statt. Erdemovićs Verteidiger hatte Freispruch beantragt, weil der Soldat bei einer Befehlsverweigerung mit dem Tod habe rechnen müssen. Das Gericht erklärte, dafür gebe es keine Beweise.

Bei der Urteilsbegründung sagte Richter Claude Jorda, das Tribunal habe das Alter des Angeklagten, seinen militärischen Rang, seine Reue und die Zusammenarbeit mit dem Gericht strafmildernd berücksichtigt. Erdemović wird seine Strafe in Norwegen, Finnland oder Italien verbüßen. Diese Staaten haben sich bereit erklärt, verurteilte Kriegsverbrecher in ihren Gefängnissen aufzunehmen.

Das 1993 von der UNO errichtete Tribunal hat insgesamt 74 mutmaßliche Kriegsverbrecher angeklagt. Lediglich sieben sind in Haft. Die Hauptangeklagten Radovan Karadžić und Ratko Mladić befinden sich in Freiheit. Der außenpolitische EU-Kommissar Hans van den Broek rief die Nato gestern auf, Karadžić und andere Angeklagte zu verhaften.