"Ich bin auch ein 68er"

■ Gesichter der Großstadt: Dieter Hapel, innenpolitischer Sprecher und Parlamentarischer Geschäftsführer der Berliner CDU-Fraktion, gilt als Scharfmacher seiner Partei

Ein Overheadprojektor des CDU-Kreisverbandes Zehlendorf wirft Köder an die Wand: „Angst“, „Kriminalität“, „Drogen“. Köder für die erregten Zehlendorfer BürgerInnen im vollbesetzten Zehlendorfer Bürgersaal. Stimmungsmache ist das Ziel des Abends: gegen Ausländerkriminalität und eine zu lasche Justiz. Aber einer hält dagegen. Vom Podium aus ermahnt er – in ungewohnt sanfter Art – die Leute: „Wir leben in einem Europa der offenen Grenzen, und ich will sie nicht wieder dichtmachen.“

Dieter Hapel: der Scharfmacher der Berliner CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, der Streiter gegen Drogen und Gewalt. Offiziell heißt das „innenpolitischer Sprecher“. Schärfere Polizeigesetze und Kriminalität sind die Lieblingsthemen des Linkshänders, der so gar nichts mit links zu tun haben will. Dieter Hapel befriedigt für die Union die rechte Klientel.

„Tickende Zeitbomben“ hatte der kleine blonde Mann mit dem Walfängerbart die „Probleme hoher Ausländeranteile in einigen Stadtbezirken“ eine Woche vorher genannt – in Zehlendorf stellt er klar, „die Probleme, die ich angesprochen habe, sind Integrationsprobleme, da können die Ausländer nichts dafür“. Und wer gegen das Grundgesetz „hetze“, mit dem wolle er nichts zu tun haben, schmettert Hapel dann noch einen Bürger ab, der den Familiennachzug von Ausländern abschaffen will. Neben seinen Zehlendorfer Parteigenossen vom Arbeitskreis Innere Sicherheit wirkt der sture Verteidiger von Sicherheit und Ordnung wie der Inbegriff des Liberalismus.

Dieter Hapel, ein Wolf im Schafspelz oder doch nur nur Schaf im Wolfspelz? „Personifizierter Stammtisch“ nennt ihn sein innenpolitischer Kontrahent von den Bündnisgrünen, Wolfgang Wieland. Und wie sieht sich Hapel selbst? „Manchmal muß man Probleme einfach plakativ darstellen.“ Aus den Medien schlägt Hapel dafür wenig Liebe entgegen. Aber er hat gelernt: „Vorsichtig formulieren, die Presse ist anwesend“, warnt er das Fußvolk im Zehlendorfer Saal.

„Ich bin das klassische Beispiel für eine Parteikarriere“, behauptet der Familienvater, Jahrgang 1951, von sich selbst. Profil hat er trotzdem gewonnen, weniger durch markante Reden als durch markige Forderungen. Schon in der Jungen Union focht er unter dem Motto „Die Mauer muß weg“ für die Vereinigung der beiden deutschen Staaten. Während andere sich der Entspannungspolitik mit der DDR und den anderen Staaten des Warschauer Pakts widmeten, ging Hapel „gegen die Zweite deutsche Diktatur“ auf die Straße. Und Dieter Hapel hat denn auch seine ganz eigene Definition von 1968: „Ich bin auch ein 68er. Ich habe den Weg, über Krawalle und Zerstörung die Gesellschaft zu verändern, abgelehnt. Ich bin 1968 in die Junge Union gegangen.“ Hapel, der „Innenpolitiker aus Überzeugung“, ist auch Antikommunist aus Überzeugung.

Sein Vater war nach dem Aufstand am 17. Juni 1953 in der DDR zu zweieinhalb Jahren in Bautzen verurteilt worden, Dieter Hapel war da gerade mal zwei Jahre alt. Die Mutter zog mit ihren drei Kindern, während der Vater im Gefängnis saß, in den Westen, nach Tempelhof. Vom Westen aus erlebte Hapel, jüngstes von drei Geschwistern, als Zehnjähriger den Mauerbau: „Ganz bewußt, schon damals, das hat mich geprägt.“

In Tempelhof wohnt Dieter Hapel mit seiner Frau und zwei Kindern noch immer. Dort ist er inzwischen Vorsitzender des CDU- Kreises, der den rechten Flügel repräsentiert. Von dieser Bastion aus hat Dieter Hapel seinen Weg vom kleinen Kommunalpolitiker zum Parlamentarischen Geschäftsführer der Union im Preußischen Landtag angetreten. Eigentlich ist Dieter Hapel Postoberinspektor. Aber: „Wenn mich die Grünen im Parlament als Briefträger beschimpfen, dann beleidigt mich das nicht.“ Briefträger sei schließlich ein ehrbarer Beruf. Hapel, der die Auseinandersetzung durchaus zu schätzen weiß und am liebsten mit Wolfgang Wieland streitet, zieht auch aus diesem Beleidigungsversuch noch Profit: „Da zeigt sich doch die ganze Arroganz der Linken gegenüber ihren werktätigen Klassen.“ Im Parlament und in den Ausschüssen lächelt der pfiffige Tempelhofer seinen Widerparten auf der linken Seite mal herablassend, mal sogar freundlich zu: „Es ist doch ein Rollenspiel, was da abläuft. Aber ich bemühe mich, den anderen zuzuhören.“

Im dritten Stock im Preußischen Landtag residiert Dieter Hapel in seinem kargen Büro – Marke Beamter. Eine Großpackung bunter Fruchtlutscher setzt Farbtupfer, aber der Parlamentarische Geschäftsführer zieht Dannemann- Zigarillos vor. Ein umgänglicher Mensch kann er sein, dieser Dieter Hapel – aber nach außen braucht er das harte Image, damit man ihm seine Vorstöße glaubt. Fordert der gewiefte Innenpolitiker doch beständig schärfere Gesetze. Dabei hält seine CDU-Fraktion die Regierungsverantwortung in den Händen.

Und man glaubt es ihm auch noch. Schließlich hat Klaus Landowsky ihn zum Parlamentarischen Geschäftsführer neben Volker Liepelt auserkoren. Wenn die CDU ihren Scharfmacher vorschickt, dann weiß die Opposition wenigstens, was von den Christdemokraten zu erwarten ist. Barbara Junge