Silberne Hochzeit am Persischen Golf

Die Vereinigten Arabischen Emirate feiern ihr 25jähriges Bestehen. Obwohl es keine richtige Zentralgewalt gibt, ist das Zweckbündnis der sieben Fürstentümer erstaunlich stabil  ■ Von Björn Blaschke

Berlin (taz) – Mit einer pompösen Militärparade in Abu Dhabi werden heute die Feierlichkeiten zum 25jährigen Bestehen der Vereinigten Arabischen Emirate (V. A. E.) eröffnet. Doch auch wenn die Festivitäten über die Grenzen der einzelnen Emirate hinweg stattfinden, sind die Differenzen zwischen ihnen noch so genauso groß, wie vor dem Zusammenschluß.

Seit der Gründung der Vereinigten Arabischen Emirate stellt Abu Dhabi, das größte und reichste Emirat, den Präsidenten des Bundes; Dubai, das zweitgrößte und zweitreichste Emirat, den Premier- sowie den Verteidigungsminister. Die anderen – Sharjah, Fujairah, Umm al-Qaiwan, Ajman und Ras al-Khaimah – haben nur Anspruch auf unwichtige Ämter. Bis heute sind sie von den Petrodollars ihrer reichen Nachbarn abhängig. Abu Dhabi zahlt 70, Dubai 20 Prozent des gemeinsamen jährlichen Staatsbudgets.

Das Abhängigkeitsverhältnis setzt sich in den Gesellschaften der einzelnen Fürstentümer fort. Zwar gibt es für den ganzen Bundesstaat einen obersten Rat und eine beratende Nationalversammlung, deren Mitglieder von den Herrschern bestimmt werden, aber de facto regiert jeder der sieben Emire nach eigenem Gutdünken – ohne Verfassung, autokratisch, von Gottes Gnaden.

Wer heute in die Emirate reist, wird vom Reichtum geradezu geblendet. Dubai zum Beispiel leistet sich einen Golfklub, dessen 18 Grasbahnen täglich mit mehreren Millionen Litern Wasser getränkt werden. Möglich gemacht hat das alles das Öl. Was aber kommt nach dem Ölboom?

Abu Dhabi wird nach Schätzungen von Experten noch etwa 120 Jahre über Ölvorkommen verfügen. In Dubai dagegen sollen die Quellen bereits in 20 Jahren versiegt sein. Um die Endlichkeit ihres Reichtums wissend wollen die anderen Emirate seit längerem ihre Wirtschaftspolitik vom Öl unabhängig machen. Die Dubayi haben schon früh entschieden, ihr Emirat zur internationalen Handelsdrehscheibe auszubauen. Die Wasser- und Strompreise werden künstlich niedriggehalten, kein ausländischer Kapitalgeber muß Zölle oder Steuern zahlen, Billiglohnarbeiter wurden aus Indien und Pakistan ins Land geholt, so daß heute etwa 75 Prozent der Einwohner der Vereinigten Arabischen Emirate Ausländer sind.

Das zweite wirtschaftliche Standbein, auf das die Emirate hoffen, ist der Tourismus. In unmittelbarer Küstennähe wird ein vollklimatisiertes Hotel nach dem anderen in die Höhe getrieben. Dennoch ist Dubai noch immer zu über 60 Prozent von den Öleinnahmen abhängig. Eric Czotscher vom deutschen „Bundesamt für Außenwirtschaftsinformationen“ in Dubai fürchtet daher, daß das Emirat in 20 Jahren eine „Geisterstadt“ ist.

Vielleicht wird es aber gar nicht mehr so lange dauern. Seit wenigen Monaten stocken erste Bauprojekte. Annähernd 200.000 ausländische Billiglohnarbeiter haben die Emirate verlassen. Ein neues Bundesgesetz schreibt vor, daß jeder Einheimische, der einem Ausländer ein Arbeitsvisum besorgt, ihn auch einstellen muß. Früher suchten die Arbeiter sich – nach dem Erhalt eines Visums – selbst ihren Job – von Baustelle zu Baustelle ziehend. Das Gesetz, so wird vermutet, wurde auf Betreiben Abu Dhabis durchgesetzt, um das florierende Dubai zu bremsen. Dabei kommen alte Streitigkeiten zu Tage: Die Dubayi führen sich nämlich auf eine Gruppe von etwa 800 Menschen zurück, die sich 1833 nach einem Streit von dem Clan trennte, der noch heute in Abu Dhabi regiert. Zudem ist dem konservativen Abu Dhabi die Toleranz der Dubayi ein Dorn im Auge. Sie sind die einzigen, die die Erlaubnis erteilt haben, an Ausländer Alkohol auszuschenken.

Die Stimmung in den arabischen Staaten östlich von Suez ist niemals so radikal gewesen wie heute. Erstmals seit Großbritannien vor 25 Jahren auch die letzten Länder am Golf in die Souveränität entlassen hat, liegt die Sicherheit der Region wieder in den Händen ausländischer Mächte – insbesondere der USA. Zum Schutz vor Angriffen des Irak – und damit zum Schutz des Erdöls – wurden kurz vor Beginn des Golfkriegs 1991 in den Vereinigten Arabischen Emiraten wie auch in Saudi-Arabien Truppen stationiert – zum Mißfallen so mancher islamistischer Gruppe im Untergrund. Bisher konnte die politische Führung der Vereinigten Arabischen Emirate der religiösen Opposition mit Geld und Kompromissen den „Wind aus den Segeln“ nehmen. So mußte Michael Jackson im vergangenen Jahr ein Konzert in den Emiraten absagen. Ihm war plötzlich die Einreise verwehrt worden mit dem Argument, sein Auftritt verletzte die örtlichen Vorstellungen von Sitte und Moral. Westliche Beobachter vermuten, daß die Emire Protesten radikaler Muslime vorgreifen wollten.

Dank einer solchen Politik wirken die Vereinigten Arabischen Emirate 25 Jahre nach ihrer Gründung verglichen mit anderen arabischen Staaten erstaunlich stabil. Solange sie ihren Untertanen ein Leben in Luxus garantieren können, haben die Emire keine ernsthaften Umsturzversuche zu befürchten. Dies dürfte sich jedoch ändern, wenn eines Tages die Einnahmen aus dem Ölgeschäft zurückgehen. Da die Scheichs sich nach wie vor weigern, demokratische Institutionen zu schaffen, ist die Gefahr groß, daß dann radikale Islamisten die Macht übernehmen.