Imker greifen zur Chemobombe

■ Aus Asien eingeschleppte Milben drohen europäische Bienen zu vernichten. Pestizide dagegen gelangen in Honig

Berlin (taz) – Die Bienen haben sich zur Winterruhe begeben, doch die Imker bleiben unruhig. Kummer bereiten ihnen nicht nur langer Frost, Mäuse oder Waschbären, sondern vor allem der Bienenkiller Nummer eins: die Varroamilbe. Vor etwa zehn Jahren aus Asien eingeschleppt, ist der Schädling mittlerweile in jedem Bienenstock zu finden. Die Bienen können ihm nicht Paroli bieten. „Der Parasit traf auf einen unvorbereiteten Wirt“, sagt Winfried Dyrba, Leiter des Bienenzuchtzentrums Bantin. Bei der asiatischen Biene sei das anders, die habe es gelernt, „im Gleichgewicht mit Varroa zu leben“. Daß es eine varroaresistente Rasse in den nächsten Jahren in Europa geben wird, bezweifelt er. „Bei der asiatischen Biene hat die Herausbildung dieser Eigenschaft Jahrtausende gedauert.“

Die meisten Imker sind froh über die Hilfen der Chemieindustrie. Chemische Bienenkeulen sind beliebt und weit verbreitet. Sie können als Plastikstreifen vor die Waben gehängt oder als Lösungen in die Wabengassen hineingetröpfelt werden. Bienenzüchter Dyrba rät, zwischen Herbst und Winter eine Milbenkontrolle durchzuführen und bei hohem Befallsgrad ordentlich Medikamente zu applizieren. „Eine Unterdosierung führt schnell zur Resistenzbildung bei der Varroapopulation“, mahnt er.

Fast alle Hersteller versprechen, daß bei „sachgerechter Anwendung“ Rückstände im Honig nicht nachzuweisen seien. Wissenschaftliche Untersuchungen kommen zu anderen Ergebnissen. So hat im letzten Jahr die Landesanstalt für Bienenkunde in Stuttgart Wachsproben verschiedener Imkereien analysiert und fast überall Spuren von chemischen Varroabekämpfungsmitteln entdeckt. Die Rückstände aus dem Wachs können in den Honig gelangen, ob und in welcher Konzentration sie schädlich sind für den Menschen, ist noch ungeklärt.

Reste von Tierarzneien auf dem Honigbrot müsen nicht sein, sagen ökologische Bienenfreunde. Holger Fuchs-Bodde-Gottwald, gewerblicher Imker aus Badbergen- Wehdel, ist überzeugt, rückstandsfreien Honig zu produzieren. Seit gut einem Jahr betreibt er seinen Betrieb nach den Richtlinien der „Bioland“-Bienenhaltung. Seinen hundert Bienenvölkern gibt er gegen die Varroatose lediglich Naturstoffe wie Ameisensäure, die als natürlicher Bestandteil in fast jeder Honigsorte vorkommt. Und er setzt auf naturgemäßes Ambiente. „In einer ökologischen Imkerei“, sagt er, „wohnen die Bienen in einer gesunden Beute aus Holz, Stroh und Lehm, die mit Naturfarben geschützt wird.“ Nicht neue Bienen brauche das Land, sondern Imker, die genauso ökologisch arbeiteten wie ihre Insekten.

Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin tut sich schwer mit dieser Einstellung. Die zugelassenen Chemo-Präparate seien ausreichend, um die Varroa-Gefahr in den Griff zu kriegen. Nach dieser eigenen Logik ist Ameisensäure offiziell nur in der sogenannten Illertissener Milbenplatte erlaubt.

Wer flüssige Ameisensäure in der Bienenbeute verdunsten läßt, bewegt sich schon in einer halblegalen Grauzone. Und der Milchsäure, einem anderen vielversprechenden Naturmittel, ist die Standardzulassung bis heute verweigert worden – obwohl sich selbst die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Bienenforschungs-Institute für sie stark macht. Helmut Dachale