Kein Schutz für offene Wunden

■ Bremer Schultheater „B.E.S.T“ treibt echte Probleme szenisch auf die Spitze

Inmitten des Schlachtfeldes nach einer feucht-fröhlichen Silvesterparty liegen diverse Schnapsleichen herum und schlafen ihren Rausch aus. Vereinzelt bewegt sich ein Körper, dann folgen weitere, bis die Gruppe langsam erwacht. Katerstimmung allüberall.

Dieser Vorgriff auf die noch bevorstehende Jahreswende fand jetzt in der ausverkauften Schwankhalle am Buntentorsteinweg statt, als das neue Theaterstück der Gruppe „B.E.S.T.“ Premiere feierte. „B.E.S.T“ ist der Kurzname für Bremens erstes schulübergreifendes Theater, „Scheiter heiter!“ heißt sein neues Stück, das laut Untertitel „16 Anleitungen zum Glücklichsein“ geben will. Die sind auch nötig. Denn als die fünfzehn verzechten Partygäste endlich nach Hause gehen wollen, stellen sie fest, daß sie eingeschlossen sind. Also wird kurzerhand die Uhr zurückgedreht, die Dekoration und das eigene Outfit wieder hergestellt und eine zweite Silvesterparty vorbereitet.

Doch so eine geschlossene Gesellschaft hat ihre Tücken: Konflikte brechen auf, Probleme treten zu Tage. Einer schämt sich wegen seines kleinen Wuchses, eine andere lallt herum, daß sie nicht heiraten will, und eine vierte stößt scheinbar grundlos Verzweiflungsschreie aus. Jeder ist irgendwann einmal dran, jeder wird verhöhnt und verlacht. Schlechte Laune paßt nicht ins Konzept, doch weil alle aufeinander rumtrampeln, wird alles nur noch schlimmer.

Die Rollen in diesem fünften Stück des „B.E.S.T.“ haben sich die jungen SchauspielerInnen selbst auf den Leib geschrieben. Dabei haben die Jugendlichen zwischen 16 und 26 Jahren, die aus verschiedenen Schulen und Ausbildungsgängen Bremens kommen, persönliche Erlebnisse verarbeitet. Theater als Selbsterfahrung - szenisch und gestisch vollkommen übertrieben, aber mit Glaubwürdigkeit dahinter, denn echte Probleme standen für das Schauspiel Pate.

Karl-Heinz Wenzel, Gründer und Betreuer von „B.E.S.T.“ und zugleich Referent für Jugendtheater in der Kulturbehörde, ist es gelungen, die verschiedenen Ideen der Jugendlichen zu einem Gesamtstück zusammenzufügen, das zeigen soll, daß persönliches Leid heute nicht mehr von öffentlichem Interesse ist. Wer heult, dem wird ein Tuch über den Kopf gestülpt, damit er nicht stört. Daß diese Fröhlichkeit nur Fassade ist, wird immer deutlicher. Doch die Betäubung mit Musik und Alkohol ist auch hier erfolgreicher als die Auseinandersetzung. Am Ende donnernder Applaus für die Inszenierung und ihren nachdenklich stimmenden Schluß. Birgit Köhler

„Scheiter heiter!“ vom 4. - 8.12.96 sowie am 14.12., 20 Uhr in der Schwankhalle, Buntentor