Charismafreie Zone

■ Mit dem erwartbaren Ausscheiden gegen Monaco heute im UEFA-Cup verschwindet der HSV völlig in Graumäusigkeit

Hamburg (taz) – Mit Lob geht Felix Magath sparsam um. Nur ganz selten sagt der Trainer des Hamburger SV in der Öffentlichkeit nette Dinge über seine Spieler. Meist hat der 43jährige etwas zu meckern. Vor kurzem, nach dem 2:1 im Pokal-Viertelfinale gegen Bochum, wurde sich der strenge Mann jedoch untreu. „So einen wie Rodolfo Cardoso haben wir in Hamburg lange nicht gehabt“, pries der Happel-Jünger die Leihgabe von Werder Bremen, „er ist ein richtiger Fußballer.“

Viel brauchte es nicht, daß Magath derart ins Schwärmen geriet („er ist ein bißchen wie ich früher“) und seine restlichen Spieler als falsche Fuffziger outete. Einen Freistoß zum Siegtreffer direkt verwandelt, einige Kabinettstückchen an der Eckfahne – noch nie war es beim HSV leichter, zum Hoffnungsträger zu werden.

Die Ansprüche sind gesunken, seit dem HSV die nicht gänzlich mausgrauen Spieler ausgehen. Zuletzt verließ Jörg Albertz die charismafreie Zone und ging nach Glasgow. Statt dessen wurden reihenweise sogenannte „mannschaftsdienliche Spieler“ geholt wie Sven Kmetsch oder die Markusse Schupp und Schopp. Die kicken sauber und ordentlich, besitzen aber auch sonst die Ausstrahlung von Meister Proper.

Dabei hatte die Führungsriege nach der Europacup-Qualifikation von einem Neuanfang und dem Ende der Mittelmäßigkeit gesprochen. „Dieser Erfolg hilft uns bei der Verpflichtung qualitativ guter Spieler“, war nicht nur Coach Magath von der Sogwirkung eines erstmals seit fünf Jahren wieder erreichten UEFA-Cup-Platzes überzeugt. Der Effekt blieb aus. Auch deshalb, weil der HSV nach außen hin nicht den Eindruck erweckte, tatsächlich eine Spitzenmannschaft aufbauen zu wollen. Solider Durchschnitt scheint den Verantwortlichen zu reichen.

An deren mangelnder Risikobereitschaft hat sich bis heute nichts Grundsätzliches geändert. Uwe Seeler behauptet zwar, man wolle bei Neuverpflichtungen – „einer für vorne, einer für hinten“ – zukünftig „etwas riskieren“, aber so recht glauben mag das keiner. Zu oft schon waren die von Magath geforderten „international tauglichen Spieler“ vollmundig angekündigt worden und hatten dann schlußendlich doch lieber woanders unterschrieben.

Die Begründung, warum wieder kein „Kracher“ (Bild) geködert werden konnte, war stets dieselbe. „Wir wollen keinen finanziellen Harakiri begehen“, blieb sich der kreuzbrave Kaufmann Seeler treu, „ich gehe mit fremdem Geld gut um, so bin ich groß geworden.“ Über 15 Millionen aus dem Albertz-Transfer und den Einnahmen aus dem internationalen Wettbewerb haben sich so mit der Zeit angesammelt.

Doch selbst Vizepräsident Volker Lange, der früher als Hamburger Wirtschaftssenator mit ganz anderen Zahlen hantierte, mauert und geht lieber auf Nummer Sicher. Eine neue Geschäftsstelle und ein paar Abschreibungsobjekte in Ostdeutschland sollen eine ordentliche Rendite bringen. Das werden sie wohl auch, aber im Bundesliga-Abstiegskampf hilft Immobilienbesitz nur bedingt.

Auch Felix Magath schaut – bei zwei Punkten Vorsprung auf Platz 16 durchaus verständlich – schon mal „nach unten“. Von seinem ursprünglichen Saisonziel, „wieder in der Spitze mitzuspielen“, hat sich Schinder-Felix längst verabschiedet. Der DFB-Pokal ist für ihn zum Strohhalm geworden. Und das heutige UEFA-Cup-Rückspiel gegen Monaco? „Wunder gibt es immer wieder“, flüchtet sich der Übungsleiter angesichts der 0:3- Hinspiel-„Katastrophe“ ins Metaphysische.

Vielleicht wird ja alles besser, weil der HSV jetzt einen Aufsichtsrat hat. Da sitzt auch Dagmar Berghoff drin, die mit den Spielern zuweilen ins Theater gehen möchte. In welches, hat die „Tagesschau“-Sprecherin noch nicht verraten. „Die Stunde Null“ im Schauspielhaus wäre passend, wird es aber wohl nicht sein. Eher das Ohnsorg-Theater. Dann hätten ihre Jungs auch mal was zum Lachen. Clemens Gerlach