Nikoläuse könnten knapp werden

■ In der Süßwarenindustrie geht der unbefristete Streik in die zweite Woche. Einige Arbeitgeber verklagten Gewerkschaft

Berlin (taz) – Marzipan und Weihnachtsmänner könnten rar werden. Engpässe in der Versorgung mit dem weihnachtlichen Süßkram befürchten sowohl die Schokoladenindustrie als auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss- Gaststätten (NGG). Seit vorvergangenem Sonntag stehen in einigen Betrieben der Branche die Bänder still. Gestern streikten 8.800 Beschäftigte in 15 Betrieben um die volle Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Eine Einigung ist noch nicht abzusehen.

Die Gewerkschaft steht – zumindest in den westdeutschen Betrieben – gut da. Zwar bindet sie ein Passus im bundeseinheitlichen Manteltarifvertrag an die gesetzlichen Vorschriften. In einer dazugehörenden Protokollnotiz aber heißt es, daß diese Regelung sofort außer Kraft tritt, sobald die gesetzliche Regelung sich ändert. Der Manteltarifvertrag wurde 1994 geschlossen. „Unser Streik hört erst auf, wenn wir die 100prozentige Lohnfortzahlung festschreiben können. Ohne dafür eine Kompensation, etwa beim Urlaubsgeld, hinnehmen zu müssen“, sagte Manfred Höning, Vorsitzender der NGG, zur taz.

In der Branche arbeiten etwa 53.000 Menschen, fast die Hälfte der Beschäftigten sind Frauen, die vorwiegend nach einer der sogenannten Leichtlohngruppen bezahlt werden. Im Bereich der ungelernten Kräfte erhalte eine Frau in Nordrhein-Westfalen ein Bruttogehalt von 1.880 Mark, sagte Höning. Viele würden unterhalb des Sozialhilfesatzes rutschen, müßten sie bei Krankheit auf Lohn verzichten. „Deswegen streiken wir unbefristet“, so Höning. Am Sonntag waren die Sondierungsgespräche mit Vertretern des Verbandes der Süßwarenindustrie ergebnislos abgebrochen worden. Gestreikt wird in den meisten westlichen Bundesländern.

In Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland laufen in vielen mittelständischen Betrieben Verhandlungen über Haustarifverträge mit voller Lohnfortzahlung. Diese Vereinbarungen will die NGG akzeptieren. Unterdessen hat eine Marzipanfirma in Lübeck Klage gegen den Streik eingereicht. Das dortige Arbeitsgericht muß feststellen, ob die Beschäftigten streiken dürfen oder noch an die Friedenspflicht des Manteltarifvertrages gebunden sind. Am Freitag bereits war die NGG von einem Marmeladenhersteller verklagt worden. Das Landesarbeitsgericht in Kiel bestätigte, daß der Streik die Friedenspflicht verletze. Ein Streik in Schwartau ist erst ab kommenden 15. Januar erlaubt. Allerdings beurteilen Arbeitsgerichte die Frage der Friedenspflicht nicht einheitlich. roga