Steinwurf und Schuld

■ Mahlow-Prozeß: Urteil gegen rassistische Gewalt

Acht Jahre für Mario P., fünf Jahre für Sandro R. – die Urteile sind angemessen. Nur: die Verurteilten büßen nicht nur für ihr Verbrechen, sie büßen auch für die meisten der 5.800 Mahlower. Seit Jahren war die Clique von Mario P. und Sandro R. in dem brandenburgischen Städtchen bekannt. Jeden Abend trafen sie sich vor dem Bahnhof, mal brüllten sie rassistische Parolen, mal randalierten sie in einem chinesischen Restaurant. Woanders würde man sagen: sie waren ein Dorn im Auge der Stadtverwaltung, ein Ärgernis für die Einwohner. Nicht so in Mahlow. Man unternahm – nichts. Insofern war es mehr als gerechtfertigt, den Mahlower Bürgermeister Werner La Haine vor Gericht aussagen zu lassen.

Der Auftritt La Haines war der Auftritt eines vermeintlich Ahnungs- und Hilflosen. Er bestritt, jemals Verständnis für die beiden Angeklagten geäußert zu haben, obwohl zahlreiche Zeitungen ihn so zitiert hatten. Er bestritt, daß die Bahnhofsclique stadtbekannt sei und ständig für Ärger sorge, obwohl bereits sieben Ermittlungsverfahren gegen deren Mitglieder gelaufen waren. Er bestritt, jemals abends am Bahnhof gewesen zu sein, um sich ein eigenes Bild zu machen – und das ist ihm zu glauben. Alle Beschwerden seien „ordnungsgemäß“ weitergeleitet worden, so La Haine. Mehr habe er nicht machen können. Schließlich sei das neue Jugendzentrum – „es liegt zwar etwas außerhalb, aber es ist immerhin ein Anfang“ – von den jungen Leuten nicht angenommen worden. Und die hätten doch wirklich Probleme mit unsicheren Lehrstellen und arbeitslosen Eltern. Und dann seien da die ausländischen Arbeitnehmer.

Die Logik dieser Aussage ist erschreckend. Ein Kommunalpolitiker, der vor offenem Rassismus versagt, der Menschenleben durch Nichtstun gefährdet und der offenbar von der Mehrheit der Mahlower unterstützt wird. Bis heute gab es keine offizielle Entschuldigung der Gemeinde bei den drei Briten. Vielmehr beschweren sich viele Mahlower, daß jetzt so ein „Rummel“ um ihre Stadt gemacht werde.

Der Steinwurf auf die britischen Bauarbeiter durchbrach eine Wand des Schweigens – dahinter lebt der alltägliche Rassismus einer deutschen Kleinstadt. Wer in Mahlow den Stein warf, ist schuldig. Aber nicht allein. Florian Gless