Unterm Strich

Italien, du hast es auch nicht besser! Der Regisseur und Theaterdirektor Giorgio Strehler will das von ihm vor fast 50 Jahren gegründete „Piccolo Teatro“ in Mailand zum Jahresende verlassen. Italienischen Zeitungsberichten zufolge begründete der 75jährige Strehler seinen Schritt mit seiner Erbitterung über eine „gleichgültige und unfähige“ Stadtverwaltung, die auf keine seiner Anfragen und Pläne reagiert habe. Zudem wolle sie den noch unfertigen Neubau des „Piccolo Teatro“ aus wahltaktischen Gründen bereits am 20. Dezember einweihen. Der Mailänder Bürgermeister Marco Formentini, Mitglied der rechtspopulistischen Separatistenpartei „Liga Nord“, erklärte, Strehler solle seinen „Schwanengesang“ künftig in einer anderen Stadt machen. Er hoffe, daß Strehler seinen Rücktritt ernst meine. Ist das zu fassen?

Strehler und die Mailänder Stadtverwaltung streiten sich bereits seit Monaten. Strehler hatte seinen Rücktritt erstmals im Juni angekündigt, weil die Arbeiten am „Piccolo Teatro“ nicht vorangingen. Der Neubau des bekanntesten italienischen Stadttheaters ist auch nach 18 Jahren Bauzeit noch nicht abgeschlossen. Insgesamt kostete er umgerechnet 100 Millionen Mark.

„Meine Vorschläge sind ins Leere gelaufen“, klagte Strehler in einem am Dienstag veröffentlichten Brief an die Stadtverwaltung. Der Theaterdirektor hatte Formentini einen detaillierten Dreijahresplan unterbreitet. Strehler forderte darin die Aussetzung der Schulden seines Theaters bei der Stadt sowie eine Erhöhung des gegenwärtigen Jahresetats von umgerechnet sieben Millionen Mark. Das weitaus weniger angesehene Stadttheater von Turin erhält 11 Millionen, das Theater in Rom 13 Millionen Mark (was verglichen mit deutschen Subventionierungen nicht gerade viel ist). Formentini hatte Strehlers Plan wegen der allgemeinen Finanznot Mailands abgelehnt.

Der Bürgermeister ordnete dann ohne Rücksprache mit dem Direktor die Eröffnung des Theaters am 20. Dezember an. Strehler hatte aber bis zum 50. Jahrestag der Theatergründung am 14. Mai 1997 warten wollen. Er wolle deshalb nicht länger staatlicher Angestellter sein, sondern seine Freiheit als Künstler wiederhaben. Die 470 Angestellten des „Piccolo Teatro“ sprachen ihm das Vertrauen aus. Eine Einweihungsfeier ohne Strehler werde es nicht geben.