Bankboß vor Gericht

■ Milliardenverluste bei Crédit Lyonnais beschäftigen Frankreichs Justiz

Paris (taz) – Der Mann, der die größte Industriebank der Welt schaffen wollte und es immerhin bis zum teuersten Bankenskandal Frankreichs brachte, muß sich vermutlich vor der Justiz verantworten. Jean-Yves Haberer, der einstige Chef des „Crédit Lyonnais“, ist das Hauptziel eines am Montag abend von der Pariser Staatsanwaltschaft eröffneten Ermittlungsverfahrens wegen „Betrug und Verbreitung gefälschter Finanzinformationen“. Dabei soll vor allem die Verantwortung für die Milliardenverluste bei der Staatsbank geklärt werden, der auch die deutsche BfG gehört.

Auf sechs Milliarden Mark beziffern sich die Schulden, die der CL allein zwischen 1992 und 1994 erwirtschaftet hat. Er schaffte das mit weltweiten riskanten Investitionen: Unter Haberers Ägide stieg die Bank bei den Filmstudios Metro-Goldwyn-Mayer ein, lieh dem Finanzjongleur Bernard Tapie Milliarden Francs und vergaloppierte sich auf dem Immobilienmarkt. 1993 mußte Haberer zurücktreten.

Zwei milliardenschwere „Rettungspläne“ auf Staatskosten sorgten dafür, daß der CL im vergangenen Jahr erstmals wieder einen bescheidenen Gewinn von 3,9 Millionen Mark machte. Doch die Regierung will noch weitergehen: Vor der geplanten Privatisierung will sie den CL mit über drei Milliarden Mark „rekapitalisieren“.

Haberer war 1988 vom sozialistischen Präsidenten François Mitterrand an die Spitze des Crédit Lyonnais geholt worden. Nach seinem Rausschmiß wurden schon 42 Ermittlungsverfahren gegen die Bank eröffnet, doch richteten sie sich bislang nicht gegen das Management. Dorothea Hahn