Seehofer die kalte Schulter zeigen

■ Heute wird im Gesundheitsausschuß des Bundestags zum letztenmal über Seehofers Reform gesprochen. Für viele Experten ist das leeres Ritual. Andere glauben noch an Änderungsmöglichkeiten

Von zehn Uhr bis zum späten Abend tagt heute der Gesundheitsausschuß. Die 32 Mitglieder wollen 106 Sachverständige und Verbandsvertreter zum 2. Neuordnungsgesetz hören. Hauptstreitpunkt dieses Gesetzes sind die sogenannten Gestaltungsleistungen. Die Kassen sollen die Möglichkeit erhalten, bei festgelegten Leistungen selbst zu entscheiden, ob und in welcher Höhe sie deren Kosten übernehmen. Zu den Gestaltungsleistungen zählen: häusliche Pflege, Fahrtkosten, Kuren, Reha- Maßnahmen und Heilmittel (etwa Krankengymnastik).

Da die Bedingungen für Beitragserhöhungen vom 1. Januar an erheblich erschwert werden, haben die Kassen angedroht, Angebote zu reduzieren. Wofür aber die Patienten selbst bezahlen müssen, ist noch immer ungewiß. Die Kassen hatten in der vergangenen Woche ein Sparpaket vorgelegt, das aber die Gestaltungsleistungen ausklammerte.

Die Frage, die sich alle Beteiligten stellen, lautet, ob auf der heutigen Anhörung noch etwas am Gesetzentwurf verändert werden kann. Solche öffentlichen Veranstaltungen sehen keine offenen Diskussionen vor, sondern sind lediglich ein Frage-und-Antwort- Spiel. Und das auch noch nach festgelegten Zeiten: So hat die 15köpfige CDU/CSU-Fraktion für ihre Fragen mehr Zeit als etwa die zweiköpfige Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen.

Dennoch, so Ausschußmitglied Monika Knoche von den Grünen, könne es zu Korrekturen kommen. Gesundheitsminister Seehofer verprelle mit seinem Entwurf die eigene Kundschaft, nämlich mittelständische und selbständige Kleinstunternehmen. Aus diesem Grund rechnet Knoche damit, daß zum Beispiel die häusliche Pflege oder die Heilmittel aus den Gestaltungsleistungen wieder ausgeklammert werden.

Damit stünde Seehofer dann als Retter da. Einziges Problem: Wenn die Kassen diese Leistungen weiterbezahlen, dabei aber nicht die Beiträge erhöhen dürften, müßten sie gezwungenermaßen die Zuzahlungen der Patienten anheben. Diese einseitige Entlastung der Arbeitgeberanteile an der Krankenversicherung sei, so Monika Knoche, das eigentliche Ziel Seehofers.

Offenbar können nur noch politische Motive zu Abänderungen führen. Ellis Huber, der Präsident der Berliner Ärztekammer, geht aus diesem Grund schon lange zu keiner Anhörung mehr hin. Das seien „sinnentleerte Unterwerfungsrituale“. Für die geladenen Experten sei es „entwürdigend“, mit welcher „Ignoranz“ sie von den Politikern behandelt würden. Florian Gless