Intendant muß blechen

■ Chef des Stuttgarter Staatstheaters wegen seiner Mißwirtschaft verurteilt

Stuttgart (taz) – Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik stand jetzt ein hoher Beamter wegen Schuldenmachens vor Gericht. Gestern verurteilte das Landgericht Stuttgart den ehemaligen baden-württembergischen Staatsrat und Generalintendanten des Stuttgarter Staatstheaters, Professor Wolfgang Gönnenwein, zur Zahlung von 50.000 Mark, weil er über mehrere Jahre hinweg mehr Geld ausgab, als er eigentlich zur Verfügung hatte. Gönnenwein hatte im Schatten des „Sonnenkönigs“ und früheren Ministerpräsidenten Lothar Späth (CDU) ständig seinen Haushalt überzogen, um durch aufwendige Operninszenierungen mehr Glanz auf die Landeshauptstadt fallen zu lassen.

Die Praxis, die der von Späth mit viel Vollmacht ausgestattete Gönnenwein dabei zwischen 1985 und 1990 anwendete, ist in deutschen Amtsstuben durchaus gang und gäbe: Sind die Mittel eines Jahres schon vor Silvester erschöpft, werden die Rechnungen erst im nächsten Jahr bezahlt und auf den neuen Haushalt angerechnet. Waschkörbeweise sammelten Gönnenwein und sein Verwaltungsdirektor Quati die Rechnungen am Jahresende und buchten sie auf den neuen Haushalt um. Das Defizit mußte dann im neuen Jahr vom Landtag in einem Nachtragshaushalt bereinigt werden.

Auf diese Weise, so daß Stuttgarter Gericht, seien dem Land Baden-Württemberg am Ende rund zwei Millionen Mark Schaden entstanden. Obwohl die politisch Verantwortlichen wie der damalige Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel (CDU) und Ministerpräsident Lothar Späth seit 1987 von dieser Praxis wußten, entließ Späth seinen Freund Gönnenwein nicht etwa, sondern holte ihn 1988 sogar noch, mit dem Rang eines Staatsrates ausgestattet, an den Kabinettstisch. Späth wollte durch high culture die Standortqualitäten Stuttgarts erhöhen und ermunterte den Generalintendanten geradezu zu Geldverschwendung und Haushaltstricks. Gönnenwein, dem der Staatsanwalt eine ausgeprägte Profilneurose diagnostizierte, jonglierte mit dem ihm anvertrauten Geld wie ein echter Künstler: Personalausgaben rechnete er als Sachkosten ab, aus dem Gastspieletat zahlte er hauseigene Rechnungen und überschritt dabei jedes Jahr seinen Haushalt um bis zu fünf Millionen Mark.

„Das ist ein Pilotprojekt und ein Musterprozeß“, sagte Richter Joachim Härle bei der gestrigen Urteilsverkündung. Bislang sei noch nie ein Politiker wegen ungenehmigter Haushaltsüberschreitung in Deutschland verurteilt worden, weshalb auch Gönnenwein nicht damit rechnen mußte, jemals deswegen verfolgt zu werden. Aus diesem Grund milderte das Gericht die Strafe ab und verwarnte Gönnenwein und seinen Verwaltungsdirektor mit 50.000 Mark, die sie an karitative Organisationen zahlen müssen. Philipp Maußhardt