Unabhängige Medien unter massivem Druck

■ Belgrads einziger freie Sender „B 92“ wurde gestern von den Behörden verboten

Der einzige unabhängige Radiosender Belgrads, B 92, war seit dem Wochenende wegen der Störsender nur noch in 40 Prozent der Stadtteile der Hauptstadt der Bundesrepublik Jugoslawien zu hören. Gestern nun hat das jugoslawische Bundesministerium für Verkehr und Fernmeldewesen den weiteren Betrieb des unabhängigen Belgrader Senders offiziell verboten. Als Grund wurde angegeben, daß der Sender die benötigte Lizens angeblich nie bekommen hat.

Nach zwei Wochen Aufruhr hat der serbische Präsident die Daumenschrauben bei den unabhängigen Medien in Belgrad wieder mächtig angezogen. Das hat er in den vergangenen Jahren immer wieder gemacht, doch bislang waren freilich keine 100.000 jungen Menschen, Liberale, aber genauso auch Nationalisten wie der Zajedno-Führer Vuk Drasković auf der Straße.

Die Redaktion der Radiostation B 92, die vor sieben Jahren begonnen hatte zu senden, war in den letzten zwei Wochen zum internationalen Pressezentrum geworden. Die Redaktionsmannschaft versuchte rund um die Uhr von den Protestveranstaltungen der wütenden Belgrader Bevölkerung zu berichten. „Die Journalisten von Radio B 92 werden mit ihrer professionellen Berichterstattung über die jüngsten Ereignisse in Belgrad fortfahren“, hieß es in einer Mitteilung der Radiomacher.

Ähnlich wie das offene Bürgerradio Zid des bosnischen Alt-68ers Zdravko Grebo in Sarajevo hatte sich B 92 in den vergangenen Jahren zu einer weitverzweigten Medieneinrichtung entwickelt. Mittlerweile wurden zahlreiche regimekritische Bücher im Eigenverlag gedruckt. B 92 sorgte dafür, daß in der unter dem Embargo der Vereinten Nationen ächzenden kleinstädtischen Bevölkerung wieder unabhängige Filme entstehen.

Dabei repräsentierte B 92 ähnlich wie das oppositionelle Politikmagazin Vreme in Belgrad oder auch die Tageszeitung Nasa Borba eine Reihe unabhängiger Medien in Restjugoslawien, die für den serbischen Despoten Milošević auch immer wieder hilfreich waren. „Seht her, bei uns darf alles gesagt werden“, so Miloševićs Botschaft an die westliche Welt.

Das Politmagazin Vreme konnte in den vergangenen zwei Wochen unbehelligt weiterarbeiten. Die Journalisten werden nicht müde, neben ihren Schlägen gegen den Kriegstreiber Milošević auch die jüngsten Demonstrationen in Belgrad genauer unter die Lupe zu nehmen. Bereits vergangene Woche machte das Magazin auf die kaum lösbaren Probleme aufmerksam, die der Oppositionspolitiker Zoran Djindjić als Bürgermeister Belgrads hätte: „Die Stadt hat quasi keine öffentliche Verwaltung, keine Elektrizitätsversorgung – all dies ist direkt der serbischen Regierung unterstellt“, schreibt Vreme, „Milošević hat der Stadt längst alle Rechte genommen, garantiert von seiner 100.000 Mann zählenden Polizeitruppe.“

Für Milošević wird es unterdessen immer schwieriger, die freien Medien völlig dichtzumachen. Wie die jetzigen Entwicklungen in Belgrad auch in den nächsten Tagen und Wochen ausgehen: Ein Mann hat, fernab von den Geschehnissen in der Hauptstadt der Republik Jugoslawien, in jedem Fall nach den vergangenen Wochen gewonnen. Irgendwo im New Yorker Wallstreet-Reich wird der aus Ungarn stammende amerikanische „Börsenguru“ George Soros nun dasitzen und aus der Ferne die Strippen ziehen. Ohne das Belgrader Büro seiner Open-Society-Stiftung hätten die unabhängigen Journalisten in der serbischen Hauptstadt kaum eine Chance gehabt, mit ihrer Arbeit weiterzumachen.

Genauso wie der kroatische Präsident Franjo Tudjman versuchte auch Milošević immer wieder, die Stiftung zu verdrängen. Doch der Multimilliardär Soros konnte immer wieder gegensteuern. Nicht schwer für einen, der zu den beliebtesten Gesprächspartnern beim alljährlichen Managertreffen in Davos gehört. Frank Hofmann