Traum und Trauma

■ Tricky hält sich mit geflüsterter Düsternis und Tonbandtechnik den Erfolg vom Hals

Düster ist gar kein Ausdruck. Die aktuelle CD von Tricky, Pre-Millennium Tension, ist blau, dunkelblau. Nur schemenhaft dringen Körperteile ans Licht und tragen eine rötliche Erdkugel, die wie nach einem atomaren Erstschlag durchglüht. Den ganzen Druck der Welt vor der Jahrtausendwende hält der 1968 als Adrian Thaws in Bristol geborene Tricky alleine aus. So will er es. Das ist kein Ennui und keine billige Trauer, sondern ein schweres Leiden an der Welt, das das ehemalige Massive-Mitglied ins Mikrophon flüstert.

Nur schwerlich kann er sich mit der „Ghetto Youth“ abfinden, „bad“ sind seine Träume, aber eben auch die Dinge im allgemeinen. Das ist für Tricky ausgemacht. Dagegen kann man nichts ausrichten. Auch gegen die Verwertungsgesetze der Branche ist kein Kraut gewachsen: „They used to call me Tricky Kid“, spielt er in dem gleichnamigen Stück auf seine Vergangenheit als Squatter an. „I lived the life they wished they did, now they call me Superstar.“

Damit ihn nicht zu viele für einen Superstar halten, gibt sich Tricky immer verschlossener. Seinen eigentlich aus der TripHop-Hausse hervorgegangenen Status, der sein Debüt Maxinquaye immerhin 500.000mal über den Ladentisch rutschen ließ, torpediert Tricky nicht nur mit Sprüchen wie „Quatsch TripHop, es ist alles Geräusch.“ Mit den Geräuschen macht Tricky auf Pre-Millennium Tension, mehr noch als auf dem mit Kritikerlob überhäuften Allstarprojekt Nearly God, ernst.

Dieser Hang zum rhythmisierten Geräusch bringt ihn aber zur Ursuppe des TripHops zurück – zum HipHop, wie ihn sich der Wu-Tang-Clan oder Chuck D, mit dem Tricky Aufnahmen vorbereitet, vorstellen. Denn zusammen mit der trägen Sängerin Martina flüstert er seine ausweglosen Sentenzen über ein trotz aller Melodie vierschrötiges Ausgangsmaterial. Überhaupt wächst das Oszillieren zwischen Traum und Trauma bei Tricky auch aus dem Spannungsfeld zwischen der perfektionistischen, geradezu intimen Produktion, die sogar Atemgeräusche dreidimensional ordnet, und der Imitation alter Tonbandtechniken beim Sampling. Denn manchmal brechen die ohnehin einfach strukturierten Songs unvermittelt zusammen, so als ob das Band geschnitten wurde und keine digitalen Fetzen am Werk wären. Volker Marquardt Do, 5. Dezember, 21 Uhr, Große Freiheit