piwik no script img

Die Bremer Kinotaz ... ... alle Filme, alle Termine

A

Am Achten Tag Belgien/Frankreich 1996, R: Jaco van Dormael, D: Daniel Auteuil, Pascal Duquenne

„Der Belgier Jaco van Dormael wird als ein origineller Regisseur gefeiert, aber sein hochgelobter Film „Toto der Held“ schien mir sehr von Dennis Potters „The Singing Detektiv“ beeinflußt zu sein, und sein neuer Film „Am achten Tag“, für den Daniel Auteuil und Pascal Duquenne (ein Belgier, der am Down-Syndrom leidet) sich in Cannes den Preis des besten Schauspielers teilten, ist eine flämische Version von „Rain Man“. Auteuil, ein Banker dessen Bessenheit von seiner Arbeit seine Ehe zerstörte, findet sich zuerst nur sehr widerwillig dabei, wie er mit Duquenne, einem Flüchtling aus einem Heim, im Auto durch Belgien und Holland fährt. Durch dessen Unschuld wird sein Leben veränderet. Nach einigen bizarren Abenteuern mit blasierten Witzen auf Kosten der normalen Spießbürger, endet dieser sehr selbstgefällige Film damit, daß der Held und seine Töchter einen Baum umarmen.“ (The Observer) Schauburg, UT-Kino, Casablanca (Ol)

Antonias Welt Niederlande/Belgien/Großbritannien 1995, R: Marleen Gorris, D: Willeke van Ammelrooy, Els Dottermans

„Wirklich eine ungewöhnliche Familiensaga, die die holländische Regisseurin Marleen Gorris in ihrem jüngsten Film entworfen hat. Voll Witz und trotz aller Melancholie voll Optimismus steckt ihre generationsübergreifende, manchmal märchenhaft wirkende Chronik, die sich über 50 Jahre erstreckt. Und wie die Jahreszeiten fliegen auch die diversen Schicksale der Figuren vorbei: Menschen kommen und gehen, Leben entsteht und vergeht. Und immer geben starke Frauen, die auch ihre Schwächen haben, den Ton an. Das alles erzählt Gorris mit einer unglaublichen Leichtigkeit, die mitten ins Herz trifft. Für ihre matriarchale Utopie erhielt sie in diesem Jahr den Oscar in der Kategorie ,bester fremdsprachiger Film'“. (Bremer) Atlantis

Ausser Kontrolle USA 1995, R: Andrew Davis, D: Keanu Reeves, morgan Freeman, Fred Ward

„Erneut hetzt Regisseur Davis („Auf der Flucht“) seinen Helden durch und um Chicago, wobei er einen Blick für unverbrauchte Orte beweist. Leider ist die Science-Fiction-Idee von der Energiegewinnung aus Wasser nur ein auswechselbarer Ausgangspunkt für eine zusammengestückelte Geschichte, in der der fälschlich verdächtigte Held (Keanu Reeves) vor FBI und Gangstern gleichermassen auf der Flucht ist. Ein bißchen zeitgemäße Paranoia vor geheimen Regierungsstellen und zum Schluß ein bißchen Weltuntergangsstimmung: alles schon oft und besser gesehen. Einzig Morgan Freeman als zwiespältige Figur ist interessant.“ (tip) UFA-Palast, UT-Kinocenter, Wall- & Ziegelhofkinos (Ol)

B

Der Blaue Pfeil Italien 1996, R: Enzo d'Alo

„Eine ganze Kompagnie von Spielzeug nimmt die Bescherung in die eigene Hand. Zumindest soll das mal passiert sein, irgendwann in Italien am 5. Januar. Ein turbulenter, spannender Zeichentrickfilm nimmt vor aquarelliertem Hintergrund in einem norditalienischen Städtchen seinen Lauf. Die einfach gezeichneten Figuren sind eine Wohltat angesichts der Disneyschen Grimasendramaturgie. Nicht nur daß die Dialoge von feinem Humor zeugen, manchmal klingt sogar Zynismus durch. Auch die Handlung ist erfrischend unpädagogisch, nämlich rücksichtslos dramatisch.“ (tip) City, Casablanca (Ol)

Bogus - mein phantastischer Freund USA 1996, R: Norman Jewison, D: Gerard Depardieu, Whoopi Goldberg

„Mit „Schwindel“ oder „Hokuspokus“ könnte man den Titel des Films übersetzen. Gemeint ist hier eines jener Wesen, das die amerikanischen Weihnachts-Ghosties belebt. Irgendwo zwischen Peter Pan, Topper, Schutzengel und dem Hasen Harvey ist dieser Bogus, gespielt von Gerad Depardieu, angesiedelt. Ein Kinderfilm nach altbekanntem Muster für die Weihnachtszeit, zwei Stars, die tief in den Klischeetopf greifen dürfen, ein Regisseur, der gute Routinearbeit leistet. Alles gehobener Durchschnitt. Bis auf eine kleine brilliante Tanzeinlage von Depardieu und Whoopi Goldberg - von diesem augenzwinkernden Charme hätte der Film mehr vertragen können.“ (epd-Film) UFA-Palast

Bound - Gefesselt USA 1996, R: Andy und Larry Wachowski, D: Jennifer Tilly, Gina Gershon / Originalfassung ohne Untertitel

„Heutige Filmemacher imitieren und variieren mit einer derartigen Begeisterung den film noir, das Genre des klaustrophobischen amerikanischen Großstadtthrillers aus den vierziger und frühen fünfziger Jahren, daß sich allmählich ein neuer Gattungsbegriff durchgesetzt hat: der des neo noir. Während fast alle aus dem Schaum der Filmgeschichte geborenen Thriller sich in ihrem Zitiereifer totlaufen, schafft es „Bound“, die Stimmung von damals in Story und Stil von heute aufleben zu lassen. Er ist, was Kamera und Ausstattung angeht, durch und durch artifiziell, aber er ist auch immer spannend - und ebensowenig wie einer der alten Gangsterfilme darauf aus, Kunst auf die Leinwand zu hieven. Ganz selbstbewußt zeigt der Film, wo es Parallelen zu seinen Vorbilden gibt, wo aber auch Abweichungen. Die raue Corky etwa wäre ein wunderbarer Part für Barbara Stanwyck gewesen. Doch die hätte nie eine bekennende Lesbe dargestellt. Das wäre viel zu gefährlich für ihrer Karriere gewesen.“ (Der Spiegel) UFA-Palast, Wall- & Ziegelhofkinos (Ol)

C

Der Club der Teufelinnen USA 1996, R: Hugh Wilson, D: Goldie Hawn, Bette Midler, Diane Keaton

„Drei ältere Frauen ruinieren in gemeinsamer Freundschaft und Solidarität materiell und libidonös ihre drei Ex-Gatten - so läßt sich der Plot beschreiben und der Film eigentlich auch ad acta legen. Denn bei allen existentialistisch-tragischen Unter- und Nebentönen ist das Ganze doch zu forciert als Klamotte angelegt, um mehr als eine bunte, antidepressive Phantasie abzugeben, die die Zuschauerin vereint mit den Wechseljahren-Hormonen einnehmen kann. Die Logik wie die Bilder dieses Films entsprechen einer Mischung aus den Glanzmagazinen „Brigitte“ und „Häuser“ samt deren Sinn für optischen und ökonomischen Realismus. Allerdings hat der Film drei Ikonen der amerikanischen Schauspielkunst in den Hauptrollen: Goldie Hawn, Diane Keaton und Bette Midler. Die enormen Fangemeinden der drei Diven dürften sich zwar kaum nennenswert überschneiden, dennoch werden diese Stars mit Sicherheit eine Fülle voyeuristischer Geschlechtsgenossinnen ins Kino locken.“ (epd-Film) Europa

D

Dokumentarfilm-Preisverleihung

Das Filmbüro verleiht auch diese Jahr wieder einen Förderpreis für ein interessantes dokumentarisches Filmprojekt. Anläßlich dieser Veranstaltung wird je ein Film der drei Jury-Mitglieder gezeigt: „Bob sucht Yoshiko Unterwegs in Tokyo“ von Brigitte Krause, „Ansichten“ von Christian Bau und „Heimliche Menschen“ von Bertram Rotermund. Kino 46

Dragonheart USA 1995, R: Rob Cohen, D: Dennis Quaid, Pete Postlethwaite

„Die Wiederbelebung des Abenteuerfilms für den Markt der neunziger Jahre. Nicht, daß „Dragonheart“ seine Geschichte vom letzten Drachen, der mit einem Drachentöter ein einträgliches Gauklergechäft aufzieht, aber auf tragische Weise mit einem despotischen Herrscher verbunden ist, nicht ernst nehmen würde. Aber die Modernisierungen lassen seine Komik immer wieder angestrengt wirken. Der computernanimierte Drache allerdings ist ein lebendiges Wesen geworden, nicht zuletzt durch die Stimme von Sean Connery, dessen Witz und Melancholie Mario Adorf in der deutschen Fassung leider nur unzulänglich wiedergibt.“ (tip) Europa, UFA-Palast, Wall- & Ziegelhofkinos (Ol)

E

Ein Sommer am See USA 1995, R: John Irving, D: Vanessa Redgrave, Edward Fox, Uma Thurman

„Ah, die steifen Briten und la dolce vita - mehr zu zeigen nahm sich Regisseur John Irving nicht vor. Das könnte man sauertöpfisch bemäkeln. Man könnte sich aber auch, gerade jetzt im nebligen November, schleunigst ins Kino begeben und genießen, was diese nostalgische Ferienromanze an Seelenbalsam bereithält: traumschöne Landschaften, geruhsames Erzähltempo und Miß Redgrave. Ein Bick in ihre sagenhaft ausdruckstarken Augen, und man ist dieser Frau - schneller als Major Wilshaw - rettungslos verfallen.“ (Cinema) Atelier

Escape from L.A. USA 1996, R: John Carpenter, D: Kurt Russell, Stacy Keach, Steve Buscemi / Originalfassung ohne Untertitel

Text siehe „Flucht aus L.A.“ UFA-Palast

Exotica Kanada 1994, R: Atom Egoyan, D: Bruce Greenwood, Mia Kirshner

„Die Welt des hochtechnisierten „anything goes“ ist ein Chaos, und um sich darin auch nur halbwegs zurecht zu finden, schaffen sich die Menschen eigene Regeln, Rituale und Gefühlswelten. In „Exotica“ hat sich jede Figur so ihre eigen Wirklichkeit geschaffen, und der Reiz des Films besteht in erster Line darin, daß wir langsam erkennen, wie diese ganz unterschiedlichen Lebensentwürfe aussehen. In dem Nachtclub Exotica, dem Mittelpunkt der Spielhandlung, ziehen sich zwar auch Frauen für Männer aus, aber eigentlich zeigt dieser Film einen faszinierenden Seelen-Striptease.“ (hip) Gondel

F

Fargo D: USA 1995, R: Joel Coen, D: Frances McDormand, Steve Buscemi

„Amerika sieht manchmal aus wie Sibirien. In der pechschwarzen Kriminalkomödie „Fargo“ von den Coen Brothers könnte man fast schneeblind werden - so eisig, weiß und leer ist hier die Winterlandschaft von Minnesota. Wenn sich das Personal aus einem Aki-Kaurismäki-Film in eine makabere Farce von Quentin Tarantino verirrt hätte, wäre dabei etwa so ein Film wie „Fargo“ entstanden. Die Landeier im tiefsten amerikanischen Hinterland werden von den Coens mit dem gleichen boshaften Witz beschrieben wie die texanischen Rednecks in ihrem Debüt „Blood Simple“. An diesen frechen Film über inkompetente Gangster, denen ihre verbrecherischen Pläne schnell über den Kopf wachsen, schließt „Fargo“ direkt an. Ein kurz vor dem Bankrott stehender Autohändler läßt selber seine Frau entführen, aber die beiden dazu angeheuerten Gangster gehen den Auftrag extrem ungeschickt und brutal an. Vom Blutbad wird dann auf Marge geschnitten, eine hochschwangere Polizistin, die mit dicken Fausthandschuhen und Pelzmütze bewaffnet, den Fall so stur und unaufhaltsam löst wie eine mütterliche Version von Columbo.“ (hip) Schauburg, Casablanca (Ol), Apollo (Whv)

Female Perversions USA 1996, R: Susan Streitfeld, D: Tilda Swinton, Amy Madigan

„Vorlage für Susan Streitfelds gewagtes Regiedebüt ist Louise J. Kaplans gleichnamige Studie über weibliche Sexualität im zwanzigsten Jahrhundert. Clever konstruiert fächert sich der Film in einzelne Fallbeispiele. Entlang des Werdegangs zweier Schwestern mit dem gleiche Kindheitstrauma werden diverse Neurosen abgehandelt, zum Beispiel Kleptomanie, Depression, Wiederholungszwang, Fetischismus oder Versagensangst. Leider geraten die Szenen häufig zu simpel, zu plakativ - Feminismus light. Der Hauptdarstellerin Tilda Swinton gelingt es nicht, die Neurosen als solche vorzuführen. Sie versteckt sich hinter affektierten Gesten und übertriebener Mimik.“ (tip) Cinema, Casablanca (Ol)

Flucht aus L.A. USA 1996, R: John Carpenter, D: Kurt Russell, Stacy Keach, Steve Buscemi

„Er ist wieder da, der arme alte Kurt Russell, der auch nach 15 Jahren immernoch versucht, den Clint Eastwood aus „Dirty Harry“ zu kopieren, und dabei so wenig Charisma entwickelt, daß es keinen Zuschauer wirklich interessiert, was während des Films aus ihm wird. John Carpenter hat im Drehbuch versucht, eine milde politische Satire mit etwas hippen Nihilismus zum Ende des Jahrtausends zu entwickeln. Aber auf halben Weg hat er sich dann darauf besonnen, daß er all den Teenagern, die sich solche Filme ansehen, ihre hohe Dosis an Actionszenen verpassen mußte. Und so versinken ein paar gute Ansätze in einem weiteren Computerspiel mit vielen Schießereien, Verfolgungsjagden und Special Effekten. „Die Klapperschlange“ war eine low-budget-Produktion, die fast aus Versehen zum Kultfilm wurde. In dieser Fortsetzung ist das Budget viel größer und man merkt, daß die Filmemacher sich bei jeder Szene gesagt haben:„ Wir machen Kult, wir machen Kult !“ Und genau deswegen hauen sie natürlich ständig daneben.“ (Christopher Tookey) UFA-Stern

G

Glimmer Man USA 1996, R: John Gray

„An ihren Silicon-Brüsten sollt ihr sie erkennen! Super-Cop Jack Cole jedenfalls schließt anhand der Implantate sofort, die Leiche vor ihm müsse Russin sein. Mit seinem messerscharfen, buddhistisch geschulten Verstand stellt er blitzschnell die Verbindung von einem Serial-Killer über die Russenmafia zu einem gutsituierten Geschäftsmann her. Der wiederum versucht, ihn als Polizisten zu diskreditieren. Aber nicht mit Jack Cole, ehemals CIA! - Auf seine alten Tage wird selbst Steven Segal ganz zahm. Seine zynischen Law-and-order-Spektakel warteten schon mal mit mehr Krach, Bumm und Peng auf.“ (tip) UT-Kino, Ufa-Stern

Der Glöckner von Notre Dame USA 1996, R: Gary Trousdale

„Disney hat Victor Hugo auf den kleinsten gemeinsamen Nenner gebracht und ein harmloses Vergnügen veranstaltet, bei dem die Nebenfiguren den Stars wieder mal die Show stehlen. (Der Spiegel) UFA-Palast, UT-Kinocenter, Wall- & Ziegelhofkinos (Ol), Solitaire (Westerstede)

H

Haut bas fragile - (Vorsicht: Zerbrechlich) Frankreich 1995, R: Jacques Rivette, D: Marianna Denicourt, Nathalie Richard / Originalfassung mit Untertiteln

„Ein Spiel, was sonst? Ein Spiel, das nie ganz zur Geschichte wird, das sich in Tanz und Gesang auflöst, wenn es ernst, und in Umarmungen, wenn es traurig wird. „Haut bas fragile“ - das steht auf jenen Kisten, die man nicht wie Grobzeug herumschleudern darf, weil sie kostbare und zerbrechliche Dinge enthalten, so wie auch Rivettes jüngstes Kinogespinst: kostbar, verträumt, fragil. Denn „Vorsicht: Zerbrechlich“ kommt selbst aus einer Welt, die inzwischen zerbrochen ist, von Lach- und Kugelsalven zerfetzt, vom Zeitgeist zertrampelt - der Welt der Nouvelle Vague, des früheren, freieren Kinos, des Leichtsinns und der Flüchtigkeit, der Zauberfrauen und der Geheimnisse... aus, vorbei! Gibt es einen Trost? Ja: diesen Film.“ (Andreas Kilb, Die Zeit) Kino 46

I

Independence Day USA 1996, R: Roland Emmerich, D: Will Smith, Bill Pullman, Jeff Goldblum

„Emmerich und seine drei Drehbuchschreiber bedienten sich unverfroren und geschickt bei den Erfolgsrezepten aus früheren Blütezeiten des Genrekinos: Da ist einmal die paranoide Grundstimmung der Science-Fiction-Filme aus den 50er Jahren mit der Angst vor dem Fremden und den militaristischen Lösungen. Der mittlere Teil des Films erinnert an die Desasterfilme aus den 70er Jahren. Hier werden die Außerirdischen wie eine Naturgewalt dargestellt - wie Erdbeben, Vulkanausbruch und Wirbelsturm in einem. Und schließlich liefert Emmerich einen Gegenentwurf zu den netten Begegnungen der dritten Art von Spielberg, denn diese ,E.T.s' sind alles andere als dessen sanfte Märchenfiguren. Emmerich ist immernoch ein recht simpler Erzähler, der ohne jede Ironie zitiert, im Finale so viel wie möglich herumballert und am liebsten an seinen Spezialeffekten herumbastelt. Aber all das verselbstständigt sich diesmal nicht wie in seinen früheren Filmen, sondern wird durch ein smartes Drehbuch und die durchweg erstklassigen Schauspieler veredelt. Gerade Emmerichs Naivität ist vielleicht der Grund, warum ,Independence Day' in den USA solch ein sensationeller Erfolg ist.“ (hip) City

Irren ist männlich Deutschland 1995, R: Sherry Hormann, D: Herbert Knaup, Corinna Harfouch

„Warum sehen deutsche Komödien immer aus, als seien sie dem „Schöner Wohnen“-Sonderheft „So mache ich mehr aus meiner 200-qm-Wohnung“ entnommen? Alles ist teuer und „tres chic“, und am Ende steigt man in sein neues Mercedes-Cabrio. So auch in dieser platten Vaterschaftskomödie um eine haarsträubende, konstruierte Verwechslungsgeschichte, die kein Klischee einer „Deutschen Komödie“ ausläßt und talentierte Darsteller wie Herbert Knaup, Axel Milberg und Richy Müller als „Väter der Klamotte“ mißbraucht.“ (V. Bleek) Cinema, UT-Kino, Wall- & Ziegelhofkino (Ol) und Solitaire (Westerstede)

J

Jane Austen's Verführung England 1995, R: Roger Mitchell, D: Amanda Root, Ciara Hinds

„So absichtlich, wie man „Sense ans Sensibility“ in „Sinn und Sinnlichkeit“ verdreht hat, macht man nun aus „Persuasion“, was Überredung oder Überzeugung bedeuten mag, „Verführung“: Als verlange das Publikum, selbst in einem solchen Fall, mit falschen Versprechungen geleimt zu werden. Der Film selbst tut nichts davon: Er erzählt auf eine geradezu altmodisch liebevolle und feinfühlige Art, wie das Mauerblümchen Anne Elliot sich gegen allen Klatsch und Tratsch durch Ausdauer sein Glück verdient, und er hat in Amanda Root eine Hauptdarstellerin, die mit dem Charme und der rotbackigen Frische eines Winteräpfelchens den Sieg dieser geborenen Verliererin beglaubigt. Was für ein Balanceakt: ein Film, in dem die großen Liebenden einander auf Schritt und Tritt begegnen und doch über ein paar gequälte Höflichkeiten hinaus kein Wort zu wechseln vermögen - bis ganz vor Schluß. Das ist, alles in allem, kein Kinostück, um dreifach hurra zu schreien, doch ein Vergnügen.“ (Der Spiegel) Gondel, Casablanca (Ol)

Die Jury USA 1996, R: Joel Schumacher, D: Metthew McConaughey, Sandra Bullock

„Dies ist ein wirklich merkwürdiger Film! Der Roman von John Grisham, auf dem er basiert, handelt vom Prozeß gegen einen Schwarzem, der die beiden Weißen erschoßen hat, die seine Tochter vergewaltigt haben. Nun ist dies nicht gerade ein allzu populärer Stoff, und die Filmemacher haben sich mit einer ganzen Reihe von Subplots aus diesem Dilemma herausgeschummelt. Sie erzählen nun in erster Linie von dem netten, smarten Anwalt, der den Angeklagten verteidigt. Sandra Bullock wird zwar großartig als der Star des Films angekündigt, spielt aber nur eine ganz unbedeutende Nebenrolle. Auch sonst gibt es noch einen ganzen Haufen Schauspieler mit großen Namen, die kaum etwas zu tun bekommen. Außerdem ist der Film längst nicht so liberal, wie er vorgibt. Die Rassenfrage wird darauf reduziert, daß es ganz in Ordnung ist, wenn ein Schwarzer sich mit einer Waffe an den bösen Weißen rächt, und das ist dann doch etwas zu simpel.“ (Chris Tookey) City, UT-Kino

L

Last Man Standing USA 1996, R: Walter Hill, D: Bruce Willis, Bruce Dern, Christopher Walken

„Actionregisseur Walter Hill nahm sich Akira Kurosawas Klassiker „Yojimbo - der Leibwächter“ aus dem Jahre 1961 zum Vorbild und realisierte als Quasi-Remake seine Version vom Kampf bis zum letzten Mann. Dabei verdichtete er die Konventionen aus Gangster-, Western- und Samurai-Filmen und kleidete sie in das Gewand einer griechischen Tragödie. Die Hauptfiguren dieser kargen Inszenierung haben keine Geschichte, und das höllische Grenzkaff Jericho wird zu einem mythischen Ort stilisiert. Ähnlich lakonisch wie in Sergio Leones „Für eine Handvoll Dollar“, dem ersten „Yojimbo“-Remake, geht es in diesem existentialistischen Gangster-Epos aussschließlich um Gier, Macht und Tod. Und Bruce Willis überzeugt einmal mehr in der Rolle des einsamen und kaputten Helden.“ (D. Lackner) UFA-Palast

Die Legende von Pinocchio Deutschland/Großbritannien/Frankreich 1996, R: Steve Barron, D: Martin Landau, Udo Kier

„Die kleine Holzpuppe möchte so gerne ein richtiger Junge sein. Und mit ein bißchen Hilfe von den „Muppet“-Puppenkünstlern um „Turtles“-Regisseur Steve Barron wurde dieser Klassiker der Jugendliteratur zu neuem Leinwandleben erweckt. Gut wie immer: Oscar-Preisträger Martin Landau (,Ed Wood') als Gepetto.“ (TV-Spielfilm) Schauburg, UFA-Stern, UT-Kino

Liebe und andere Katastrophen Australien 1996, R: Emma-Kate Croghan, D: Matt Day, Matthew Dyktynski, Alice Gardner

„Für einen Apfel und ein Ei von einem Haufen Filmschul-Absolventen inszeniert (Drehbuchautorin und Regisseurin Croghan war zu der Zeit gerade 23 Jahre alt), hat diese süße und flotte Universitäts-Komödie ein erfrischend zeitgenössisches Flair. Ausnahmsweise glaubt man den Schauspielern wirklich einmal das Alter der Figuren, die sie spielen. Da ist nichts besonders Originelles an dem romantischen „Bäumchen wechsle dich“ des Films, aber Croghan hat einen angenehmen, leichten Stil, und ein geschicktes Auge dafür, was auf der Leinwand anziehend wirkt.“ (Time Out) Filmstudio, Wall- & Ziegelhofkinos (Ol)

Little Panda USA 1995, R: Christopher Cain, D: Ryan Slater, Yi Ding

„Der alljährliche Tierfilm handelte 1995 von einem kleinen, tapferen Pandabären, der in einem Naturpark lebt, von Wilddieben gefangen wird und mit dem 10jährigen Ryan viele Abenteuer besteht. Die Hollywoodproduktion wurde in den Bergwäldern Chinas unter Aufsicht chinesischer Experten „vollkommen artgerecht“ gedreht und ist auch ein politisch höchst korrekter Werbefilm für den „World Wide Fund for Nature“.“ (hip) UFA-Palast

M

Mikrokosmos Frankreich/Schweiz/Italien 1995, R: Claude Nuridsany, Marie Perennou

„15 Jahre Vorbereitung, drei Jahre Drehzeit, sechs Monate Schneiden von 80 Kilometer Filmmaterial haben sich gelohnt: „Mikrokosmos“ entführt in eine Zauberwelt voller Metamorphosen, in der Wesen über das Wasser laufen und Mücken wie Wassernympfen im Mondlicht flirren. Im Mittelpunkt der Naturdokumentation des französischen Forscherteams stehen die Insektenbewohner einer Wiese. Mit Hilfe von speziellen Kameras gelangen den Forschern ungewöhnliche Aufnahmen, beispielsweise von der Argyronet-wasserspinne, die ihre Beute in einer selbstgeschaffenen Luftblase verspeist. Mit seinen phantastischen Bildern, den hinreißend schönen Landschafts- und Himmeleinstellungen dürfte „Mikrokosmos“ auch im Kino sein Publikum finden.“ (Silke Schütze) Schauburg, UT-Kino, Casablanca (Ol), Apollo (Whv)

O

Olle Hexe Deutschland 1990, R: Günter Meyer, D: Anne Szarvasy, Hajo Müller

„Die Kinder Paul und Anna geraten in den Bann einer Hexe, die aus ihrem ständigen Streit Lebenskraft schöpft. Nach vielen Abenteuern im Hexen-Land, das sie mit einem Ritter, einem blinden, sprechenden Pferd und einem zeigerlosen Wecker durchqueren, besiegen sie durch ihre Solidarität die Hexe und kehren in ihre Welt zurück. Behutsam inszeniertes Fantasie-Märchen, das Situationen und Gestalten aus der Märchenwelt mit alltäglichen Erfahrungen seines jungen Zielpublikums verbindet und so eine kindgerecht spannende und humorige Geschichte voller zauberhafter Tricks erzählt.“ (Lexikon des internationalen Films) Kino 46

S

She's the One USA 1996, R: Edward Burns, D: Edward Burns, Cameron Diaz, Mike McGlone

„Burns Nachfolgefilm zu „Kleine Sünden unter Brüdern“ ist eine schlimme Enttäuschung. Im Grunde ist es einfach der gleiche Film, nur länger, teurer und viel langweiliger. Burns ist ein Taxifahrer, der eine seiner Mitfahrerinnen nach einer stürmischen Romanze heiratet, während McGlone diesmal den sündigen Bruder spielen darf: Einen wahrhaft ekelhaften Yuppie, der sich mit Diaz einläßt, der ehemaligen Verlobten von Burns. Verwirrt? Werden sie nicht lange bleiben, denn der Film buchstabiert alles peinlich genau vor. Die Anwesenheit von TV-Stars wie Jennifer Aniston und John Mahoney betont noch zusätzlich das „sitcom“- Niveau des Films, und die ganze Sache hat einen unangenehmen Geruch von männlichem Chauvinismus.“ (Time Out) City

Sommer Frankreich 1996, R: Eric Rohmer, D: Melvil Poupaud, Amanda Langlet

„Gaspard wartet in einem bretonischen Küstenstädtchen auf seine Freundin Lena. Um die Zeit zu vertreiben, unternimmt er lange Spaziergänge mit der Studentin Margot, die ihn mit ihrer Bekannten Solene zu verkuppeln versucht. Als nach zwei Wochen doch noch Lena auftaucht, ist die Verwirrung perfekt. Mit heimlichem Vergnügen betrachtet man, wie sich der Held immer tiefer in diese unmögliche Situation verstrickt; und doch bleiben alle Figuren des Films so glaubwürdig und echt, wie das auf der Leinwand nur möglich ist.“ (tip) Gondel

Strange Days USA 1995, R: Kathryn Bigelow, D: Ralph Fiennes, Angela Bassett / Originalfassung ohne Untertitel

„Am Silvesterabend des Jahres 1999 steht die amerikanische Gesellschaft auf der Kippe zwischen Anarchie und faschistischem Polizeistaat. In dieser Welt dealt der zynische Einzelgänger Lenny mit einer illegalen Technologie, die es denn Benutzern möglich macht, sich direkt in die Gehirnströme von anderen Menschen einzuklinken. „Strange Days“ ist ein atemberaubender Action-film, aber Regisseurin Kathryn Bigelow schmuggelt bei all den Stunts und special effects auch soviel subversive Gesellschaftskritik in ihren Film, daß man ihren Mut nur bewundern kann.“ (hip) Kino 46

T

Der tapfere kleine Toaster USA 1987, R: Jerry Rees

„Zeichentrickfilm über fünf mutige Haushaltsgeräte, die Küche, Abstellkammer und Steckdose verlassen, um ihrem Menschenfreund Robert in die Stadt zu folgen. Witzige Variation des Märchens von den Bremer Stadtmusikanten mit Toaster, Lampe, Staubsauger, Heizdecke und Radio: Etwas besseres als den Schrottplatz finden wir allemal.“ (hip) Atlantis

Todas - am Rande des Paradieses Deutschland 1996, R: Clemens Kuby

„Ein formal und inhaltlich einfühlsam gestaltetes ethnologisches Filmdokument über das kleine Volk der Toda, die von der modernen Zivilisation noch weitgehend unberührt ein selbstgenügsames, spirituell reiches Leben als Sammler und Hirten in Südindien führen. Doch ihr innerer Frieden und ihr Lebensraum ist bedroht durch fremde Kultureinflüße und wirtschaftliche Fortentwicklung.“ (tip) Cinema

Tödliche Umstände USA 1996, R: Anthony Hickox, D: Mili Avital, Naomi Campell, Charlotte Ramplimg

„Die Floristin Theresa verliebt sich in Josh. Das Ergebnis ihrer heftigen Romanze: Sie wird schwanger. Eine Freundin warnt sie vor dem windigen Lover, der offensichtlich ein Psychopath ist. Theresa will abtreiben lassen. Doch der irre Josh hält sie solange fest, bis die legale Frist zum Abbruch überschritten ist. Sie zeigt ihn an, doch vor Gericht nutzt Josh die öffentliche Anti-Abtreibungs-Stimmung geschickt zu seinen Gunsten. Ein oberflächlicher, glatter, aber effektvoll vom Horrorfilmer Hickox („Waxwork“) inszenierter Film mit einer wie am Reißbrett entworfenen Story.“ (TV-Spielfilm) UFA-Stern

Trainspotting Großbritannien 1995, R: Danny Boyle, D: Ewan McGregor, Ewen Bremner

„Ein Hauch von Monty Python liegt über dem Ganzen, der signalisiert: Dies hier ist aus U.K.-Zutaten zusammengemixt. Der Kult um die Geschichte einer Vorstadtclique beweist zweierlei: Die Junkies sind unter uns und Britannien produziert wieder ,Lebensgefühl'“ (taz) UFA-Stern

Tykho Moon Frankreich/Deutschland/Italien 1996, R: Enki Bilal, D: Johan Leysen, Julie Delphy, Michel Piccoli, Peter Berling, Jean-Louis Trintignant

„Das Geschlecht der Marc Bees herrscht über ein postapokalyptisches Paris. Durch die Stadt führt eine Berliner Mauer, der Eiffelturm ist demontiert, und die Bevölkerung lebt in ständiger Angst vor Biopsie-Kontrollen. Denn der todkranke Diktator sucht verzweifelt nach einem ganz speziellen Organspender: Tykho Moon. Der ehemalige Widerstandskämpfer wird auch vom verängstigten Volk sehnsüchtig erwartet, das ihn als Erlöser verehrt. Der zweite Spielfilm drs Comic-Künstlers Enki Bilal scheitert an den Ambitionen, eine fremde, seltsame Welt zu schaffen. Was geheimnisvoll sein soll, ist allenfalls kryptisch, die Bedrohung selbst für intellektuelle Sci-fi-Standards zu stark abstrahiert.“ (tip) Cinema

V

Der verrückte Professor USA 1996, R: Tom Shadyac, D: Eddie Murphy, James Coburn

„Murphy macht sich gnadenlos über seine eigenen schlechten Gewohnheiten lustig und wenn er dies macht, hat der Film genug pointierten Humor, um ein Comeback zu rechtfertigen. Eddie Murphy ist wieder witzig.“ (Rolling Stone) UFA-Palast, UT-Kinocenter

Versprochen ist Versprochen USA 19996, R: Brian Levant, D: Arnold Schwarzenegger, Sinbad, James Belushi

„Der Film zum Merchandising. So weit mußte es ja irgendwann kommen: Arnold Schwarzenegger als besorgter Daddy, der bis zur Bescherung unbedingt das neue Superspielzeug für den Sprößling auftreiben muß. Was kommt als nächstes? De Niro läuft Amok, weil die Batterien im Gameboy fehlen? Demi Moore zeigt alles auf der Suche nach „Striptease-Barbie“? Wir können's kaum erwarten.“ (V. Bleek) UFA-Palast, UT-Kinocenter, Solitaire (Westerstede)

W

Wiedersehen auf Bullerbü Schweden 1962, R: Ole Hellbom, D: Kay Anderson

„Fortsetzung dr Astrid Lindgren Erzählung „Die Kinder von Bullerbü“ und der Serie mit schwedischen Kinderfilmen, in denen das heitere und idylische Leben von Kindern in einem kleinen Dorf beschrieben wird. Der einzige dramatische Konflikt dieses Films besteht darin, daß ein kleiner Junge mit einem lockeren Zahn Angst vor dem Zahnarzt hat.“ (hip) Atlantis

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen