„Das ist blamabel für die Hauptstadt“

■ Bald gibt es nur noch 70.000 Studienplätze, befürchtet die CDU-Hochschulpolitikerin Monika Grütters. Kritik an Senator Radunski: Er bringe den Uni-Vertrag nicht voran

taz: Sie haben vor einigen Monaten den Hochschulen ein Standortsicherungsabkommen vorgeschlagen. Inzwischen ist so etwas Ähnliches auf den Weg gebracht: Hochschulen und Staat schließen einen Vertrag, der die Zuschüsse an die Unis festschreibt. Wozu ist das Projekt gut?

Monika Grütters: Es soll den Hochschulen in diesen Zeiten außerordentlicher Haushaltsnot eine gewisse Planungssicherheit geben. Ich weiß, das ist ein vielgeschmähtes Wort. Aber das ist der Punkt, dessentwegen ich den Vertrag zwischen dem Land Berlin und den Hochschulen für so wichtig halte. Erinnern Sie sich: Den Hochschulen ist 1993 versprochen worden, sie bekämen mit dem „Hochschulstrukturplan“ Planungssicherheit. Aber sie sind enttäuscht worden. Die Politik hat ihr Versprechen gebrochen. Da kann ich verstehen, daß die Unis sich auf einseitige Zusagen nicht mehr einlassen wollen.

Wie ist der augenblickliche Stand des Projekts?

Die Wissenschaftspolitiker der CDU und die Hochschulpräsidenten haben eine gemeinsame Vereinbarung ausgearbeitet. Leider ist bei der Haushaltsklausur auf Senatsebene finanziell ein ganz anderes Ergebnis erzielt worden – wir müßten den Vertrag also ganz neu verhandeln.

Sie meinen: wegen der neuen Kürzungen?

Ja. Der Vertrag beinhaltet ja zweierlei: Finanzpolitische Rahmendaten und Reformvorstellungen, die mit den Hochschulen vereinbart waren. Der Senat hat ganz andere Sparvolumina beschlossen, 150 Millionen Mark in vier Jahren. Die Uni-Präsidenten und wir waren von 50 Millionen Mark in fünf Jahren ausgegangen. Die Universitäten können diese schnelle Absenkung ihrer Etats einfach nicht erbringen.

Es gäbe eine Möglichkeit, das aufzufangen: Es muß ein Fonds gebildet werden, der sich aus dem Verkauf von Landesvermögen speist. Dort können sich die Unis Geld leihen, um die kurzfristigen Einsparungen abfedern zu können. Berlin sollte in solch einer Zwangslage die Augen offenhalten für die wirklich beinah ausweglose Situation der Hochschulen. Andernfalls sacken wir auf ein Niveau an Studentenzahlen herunter, das nicht mehr vertretbar ist.

Wie viele sind es denn noch?

1993 waren es noch 115.000 Studienplätze. Im Jahr 2000 dürften wir bei rund 70.000 Studienplätzen landen – eine blamable Größe für eine Hauptstadt!

Wieso können Sie den Hochschulen da eigentlich noch empfehlen, einen Vertrag zu unterschreiben?

Ich halte das gerade jetzt für nötig. Natürlich ist die Enttäuschung über nicht eingehaltene Zusagen groß. Nur eine beiderseitige Zusage mit schriftlicher Absicherung könnte da eine ganz kleine qualitative Verbesserung bringen. Die höheren Einsparungen könnte man durch eine längere Laufzeit des Vertrages und Experimentierklauseln kompensieren. Ich verstehe übrigens, daß die Hochschulen irritiert sind. Es fehlt von seiten der Politik an ständiger Betreuung und Kommunikation – das wäre auch die Aufgabe von Wissenschaftssenator Peter Radunski. Er ist jetzt auch an der Reihe, Vorschläge zur Verteilung der Einsparsummen zu unterbreiten, und zwar schnell.

Der Senator ist abgetaucht. Interviews gibt er nur Studentenzeitungen.

Wir Hochschulpolitiker der Fraktionen bemühen uns sehr darum, das aufzufangen. Aber wir können die Senatsseite nicht ersetzen. Ich glaube, wir sollten uns jetzt gemeinsam zu einem Vertrag durchringen: der Senator plus die Fraktionen plus die Hochschulen.

Sogar der Bundespräsident ist auf die Sprachlosigkeit aufmerksam geworden.

Das ist ganz typisch. Die Wissenschaftslandschaft zählt außerhalb Berlins viel mehr als hier in der Stadt. Sowohl die Unis als auch die verantwortliche politische Seite muß für diesen Bereich viel mehr werben.

Ihr ehemaliger Chef, Wissenschaftssenator Erhardt, wollte das sogenannten Erhardtsche Schwert: das Eingriffsrecht in die Hochschulen. Müßte nicht erst diese Abwicklungsvollmacht vom Tisch, damit zwei halbwegs gleiche Vertragspartner entstehen?

Nein. Den Hochschulen kann die Drecksarbeit, die beim Abwickeln von Studiengängen gemacht werden muß, nicht alleine zugemutet werden. Die Akademischen Senate sind dazu kaum in der Lage. Und es ist auch nur formal eine Autonomiebeschneidung. In Wirklichkeit nimmt man den Unis die schwere Entscheidung ab, ob sie sich den linken oder rechten Arm abhacken sollen. Interview: Christian Füller