Finsterer Reiter sattelt bangen Klepper

■ MDR-Chef leitet die ARD. Vor kurzem wollte Udo Reiter sie noch kleinhalten

Sie fügten sich dem Unvermeidlichen. Voller Überzeugung hat vermutlich keiner der elf Intendanten der ARD gestern vormittag in München den einzigen Kandidaten für den Vorsitz des Senderverbunds gewählt. Aber sie haben ihn alle gewählt: Udo Reiter, Intendant des Mitteldeutschen Rundfunks, ist am Ziel. Für zwei Jahre wird er ab Januar als Nachfolger von BR-Intendant Albert Scharf die Geschicke der ARD lenken.

Der Leipziger Intendant verdankt diesen Posten einem komplizierten ARD-Proporzsystem. Traditionell sind sich alle Anstalten spinnefeind, besonders schlecht verstehen sich der Norden und Westen (NDR, WDR), die als rot gelten, mit den schwarzen Südsendern BR, SWF und SDR. Mit dem Hinzutreten des Ostens hat sich das Gewicht verschoben: Die kleinen Sender zählen ohnehin nicht, und der MDR gesellte sich, gut gefüllt mit unionsnahem Personal aus München, zum Süden. Da dieses Jahr ein Ostsender den Vorsitz kriegen sollte, lief seit einem Jahr alles auf den im Oktober wiedergewählten MDR-Chef zu.

Doch auch unter einigen der Südintendanten machen sich bange Gedanken breit: Reiter gilt als Exponent einer Medienpolitik, bei der am Ende die gesamte Senderschiene gefleddert dastehen könnte. Vor zwei Jahren hatte er, bis heute unvergessen, via Focus vorgeschlagen, die Öffentlich- Rechtlichen sollten doch auf die anstehende Gebührenerhöhung verzichten und gegebenenfalls lieber ein paar Häuser zumachen. Auch für das berüchtigte Stoiber/ Biedenkopf-Papier, das die ARD ganz kleinhalten wollte, bekundete Reiter Sympathie.

Die zwei Jahre unter Reiters Vorsitz dürften die schwierigsten in der ARD-Geschichte werden – und die entscheidenden für ihre Zukunft. Kaum auf die mörderische Konkurrenz der nächsten Jahre vorbereitet, technisch und finanziell schlecht ausgestattet und bar jeder politischen Rückendeckung, gehen die Öffentlich-Rechtlichen ins Zeitalter der Digitalisierung. Da sie selbst nicht wissen, wohin, haben die Sender zudem den Kampf um ihre Legitimation noch gar nicht aufgenommen. Reiter, hofft man, werde sich als ARD-Chef domestizieren lassen und, so eingebunden, wenigstens den Status quo verteidigen.

Mit dem Modell Einbindung hat man Erfahrung. Der Dank, den die Intendanten gestern ihrem Kollegen Albert Scharf als scheidendem ARD-Chef entgegenbrachten, dürfte ehrlicher sein als die Zustimmung für Reiter: Scharf hatte sich von der bayerischen Medienpolitik geschickt freigeschwommen und die ARD diplomatisch auch gegen ihre Abschaffer zu verteidigen gesucht. Für die Zukunft nur eine geringe Hoffnung der ARD. Aber schon ein großer Anspruch an ihren neuen Vorsitzenden Reiter. Lutz Meier