Kleine Schützenhilfe für Milošević

■ Noch hält sich Moskau angesichts der Ereignisse in Belgrad bedeckt. Eine klare Strategie für den Balkan fehlt

Moskau (taz) – Offiziell hat Moskau zu den Ereignissen in Belgrad bisher noch keine klare Stellung bezogen. Zwar ist man nicht glücklich darüber, wie plump Freund Slobodan Milošević seine Macht sichert. Aber er ist eben ein Freund und fast der einzige auf dem Balkan. Auf dem OSZE-Gipfel in Lissabon präzisierte Premier Wiktor Tschernomyrdin die Haltung Rußlands, indem er dafür sorgte, daß eine entscheidende Passage aus dem Schlußprotokoll gestrichen wurde. Das behauptet zumindest ein westlicher Diplomat. Darin hieß es: „Demokratie, eine unabhängige Presse und freie Wahlen können die Stabilität in der Bundesrepublik Jugoslawien sichern helfen“.

Tschernomyrdin ersparte seinem serbischen Kollegen den Affront. Nicht, weil er dessen Mittel billigt oder sich mit ihm in orthodoxer Harmonie wähnt. Die slawisch- orthodoxe Serbophilie, die während des Balkankrieges häufig bemüht wurde, entsprach seit je ideologischem Mumpitz. Die historischen Fakten würden beinah das exakte Gegenteil belegen, ein jahrzehntelanges russisch-serbisches Mißtrauen und offene Feindseligkeit. Zudem handelt es sich nun um einen innerserbischen Konflikt, der den stereotypen Zugang West–Ost, pro- oder antiserbisch nicht mehr zuläßt.

Rußland fühlt sich zunehmend isoliert und in seinem Bemühen, ein neues Sicherheitssystem in Europa zu schaffen, nicht für voll genommen. Lissabon hat es gezeigt: Rußland findet sich im Kreise der bösen Buben Europas wieder. Es stützt Milošević und preist den autoritären, weißrussischen Demagogen Alexander Lukaschenko. Dabei hätte sich Moskau diese Blöße gar nicht geben müssen. Denn auch die Amerikaner bringen auch Verständnis und Geduld auf: Milošević ist und bleibt noch der Garant von Dayton.

Die kommunistische und chauvinistische Presse schweigt unterdessen zu den Vorgängen in Belgrad. Die liberalen Medien nehmen sich des Themas offen an und ziehen oft Parallelen zwischen Jugoslawien und Weißrußland. Noch sprechen sie es nicht deutlich aus, doch mißfällt ihnen die Wahl der Partner. Und grundsätzlich ist klar: Rußland besitzt keine klare Strategie. Weder für den Balkan noch für seinen geopolitischen Anspruch. Klaus-Helge Donath