Berlin-Umzug erstickt im Chaos

■ Ein Beschluß des Ältestenrates in Bonn und seine Folgen: Mißverständnisse, Unklarheiten und eine wütende Opposition

Bonn (taz) – Chaos in Bonn. Seit einem Ältestenrat-Beschluß des Bundestags vom vergangenen Donnerstag diskutiert die Bonner Politik, wann und wie das Parlament nun nach Berlin umziehen wird. Selbst parlamentarische Geschäftsführer, die Manager der Fraktionen, gestehen ein, daß auch sie nicht ganz durchblicken, was nun beschlossen wurde und wann eine Entscheidung fällt. Höchstens am heutigen Donnerstag könnte Klarheit aufkommen. Wie entstand das Chaos? Der Ältestenrat erklärte letzte Woche nach einem CDU-Vorschlag: Ab Frühjahr 1999, sobald der Reichstag fertig ist, werde es Plenarsitzungen in Berlin geben – dies ließ aber offen, ob damit alle Plenarsitzungen gemeint waren. Unklar blieb auch der Zeitpunkt, von dem an die ganze normale parlamentarische Arbeit, etwa in Ausschüssen in Berlin, stattfinden sollte. Nur eines legte der Beschluß nahe: Daß diese Alltagsarbeit nun an die Fertigstellung der Neubauten für die Büros der Abgeordneten an der Spree gekoppelt sei. Das heißt, solange die Bauten nicht fertig sind, ziehen die Abgeordneten nicht um – also nicht vor dem Jahr 2000.

Empörte Aufschreie vor allem der Berliner Presse folgten: Der Bundestag verschiebe seinen Umzug. Auch viele Parlamentarier maulten über das Pendeln zwischen Bonn und Berlin, was diese Erklärung wohl mit sich bringen würde. Am Dienstag verabschiedeten die Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) mit den Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP daraufhin eine weitere Erklärung. Darin wurde klargestellt: Alle Plenarsitzungen sollen ab 1999 in Berlin stattfinden (sobald der Reichstag fertig ist). Auch die Parlamentsarbeit solle ab dann „im wesentlichen“ in Berlin stattfinden. Die Regierung sowie die Bundestagsverwaltung wurden gebeten, auch dann die Arbeitsfähigkeit des Parlaments in Berlin sicherzustellen, wenn die Neubauten noch nicht fertig sind. Das legte nahe, die Arbeit solle erst einmal in angemieteten oder kleinen Büros stattfinden.

Die SPD zeigte sich empört: Die Parlamentspräsidentin übergehe sie, der Ältestenrat-Beschluß sei umgedreht worden. Sie forderte eine Ältestenrat-Sitzung am Dienstag abend. Aber auf der wurde schlichtweg nichts klargestellt: Offen blieb, ab wann die Abgeordneten in Berlin sitzen, wieviel das Pendeln kosten würde und wann alle Ausschußsitzungen in Berlin stattfinden.

Ein Treffen von Süssmuth mit den Fraktionsvorsitzenden sollte dann gestern Klarheit schaffen – wurde aber schließlich wieder abgesagt. Nicht nur Bonn blickt nun auf den heutigen Tag. Da nämlich tagt regulär der Ältestenrat. Und will, so heißt es, die Mißverständnisse endgültig aus dem Weg räumen. Philipp Gessler